Karl Nolle, MdL

ND Neues Deutschland, 30.07.2004

Das kann sich nur die PDS leisten

In Sachsen scheiden weit vor der Landtagswahl bereits fünf Direktkandidaten durch Formfehler aus
 
In Mittweida und Leipzig vergaß die PDS die rechtzeitige Abgabe von Unterlagen ihrer Direktkandidaten. Die absolute Mehrheit der CDU erscheint dennoch angreifbar.

Verführen die Hochgefühle eines erwarteten Wahlsieges zur Nachlässigkeit, hat die PDS' ein Problem mit ihrer Personalqualifikation oder muss sie nur besser aufräumen? Der sächsischen PDS-Landesvorsitzenden Cornelia Ernst ist die Zerknirschung über die Nichtzulassung von vier Direktkandidaten zur Landtagswahl am 19. September anzumerken. Da müsse einmal Fraktur geredet werden.

Der Kreisvorstand in Mittweida hat dies bereits getan. Hier hatte der persönliche Mitarbeiter der Kreisvorsitzenden Ulrike Bretschneider die termingerechte Abgabe der Unterlagen Bretschneiders und Hans-Dietrich Pesters, Direktkandidat im benachbarten, Wahlkreis, versäumt. Pester soll daraufhin erregt Bretschneiders Rücktritt gefordert haben.

Unterstellungen von Neid,Missgunst und Postenrangelei in der Lokalpresse wies der Kreisvorstand jedoch zurück. Er übte in traditioneller Manier Kritik und Selbstkritik und will noch vor der Landtagswahl am 28. August Konsequenzen in Form einer Neuwahl des Kreisvorstandes ziehen. In Leipzig steht die Aufarbeitung eines ähnlichen Fristversäumnisses noch aus. Auch hier wurden die PDS-Direktkandidaten Wolfgang Deneck und Siegfried Schlegel vom Wahlprüfungsausschuss gesperrt, weil ein Teil ihrer Wahlunterlagen erst nach dem .15. Juli vorlag. »Wirklich Pech«, findet Wahlkampforganisator Rico Schubert, denn die Unterlagen schlummerten seit dem Wahlkongress im Mai abgabebereit auf irgendwelchen Stapeln. Die zentrale Dresdner »Wahlfabrik« hatte extra per Mail noch einmal an die Abgabefristen erinnert.

Ist die Richtung klar, entscheidet Organisation alles

Vertrauen ist gut, lückenlose Kontrolle wäre noch besser gewesen. Cornelia Ernst erwartet nun einen »durchorganisierten Zweitstimmenwahlkampf« in den vier Wahlkreisen.. Vor fünf Jahren bot die Landesliste ohnehin den einzigen Weg in den Landtag. Nach den Stimmenanteilen bei den Juniwahlen aber scheinen Direktmandate für die PDS in Leipzig, Dresden und der Sächsischen Schweiz greifbar.

Ein schwacher Trost für die PDS: Auch die CDU im Leipziger Land bleibt voraussichtlich ohne Direktkandidaten. Senkrechtstarter Christian Steinbach, Sohn des ehemaligen Pastors, Regierungspräsidenten und SPD-Überläufers Walter Christian Steinbach, soll nur mit der Mehrheit einer ungültigen Stimme zum Kandidaten gewählt worden sein. Über seinen Protest wird noch in dieser Woche der Landeswahlausschuss entscheiden.

In der sächsischen Union herrscht ohnehin eine gewisse Nervosität. Die jüngste Emnid-Umfrage der Staatsregierung bescheinigte ihr »nur« die Gunst von 50 Prozent der Wähler. Eine Tatsache, die auch deshalb Verärgerung auslöste, weil für die turnusmäßige Umfrage während der Wahlkampfzeiten mit der Staatskanzlei der Verzicht auf die Sonntagsfrage vereinbart worden sein soll. Hinzu kommt die Unsicherheit über den Bundestrend, wenn sich die Union in Berlin auch nicht als klare und vor allem sozialere Alternative präsentieren kann und will. Die Umfragen sind aber erfahrungsgemäß das Papier und erst recht nicht die Zehntausenden Euro wert, die sie kosten.

Auch bei der Landtagswahl 1999 lagen sie in Sachsen kräftig daneben: Zwei Trends aber bestätigen sie richtigerweise. Die SPD droht in Sachsen tatsächlich einstellig zu landen und kann sich mit landespolitischen Ruderschlägen nicht aus dem Abwärtssog der Agenda 2010 befreien. Wohl zu spät hat sie sich vom innerparteilichen Zwist befreit und unter dem nunmehr alleinigen Spitzenkandidaten Thomas Jurk zu markanteren Aussagen gefunden. Ein anderer Wählertrend geht wieder hin zu den kleineren Parteien, von, dem die Grünen am meisten profitieren.

Wie in Thüringen könnte es zu einer Zitterpartie um den Wiedereinzug der Ökopartei in den Landtag kommen. Landessprecher Karl Heinz Gerstenberg bestätigt die erwartungsvolle Stimmung in der Partei und verweist darauf, dass erstmals in allen 60 Wahlkreisen Direktkandidaten antreten. Irgendwelche farbenfreudigen Koalitionsspekulationen, mit denen die Partei 1994 ein Eigentor schoss, weist er von sich und setzt auf konsequente Opposition.

Weiter entfernt von einer Landtagsfraktion, aber mit vier Prozent immerhin gestärkt, erscheint derzeit die FDP. Zu wünschen bliebe schließlich, dass Emnid in einem Punkt doch recht behält: Rechtsextreme Parteien lägen zusammen nur bei drei Prozent der Stimmen.
(von Michael Bartsch, Dresden)