Karl Nolle, MdL
BILD-Zeitung, 05.01.2001
SPD-Nolle gibt auf
PDS und Bündnis90/Grüne gegen Karl Nolle
DRESDEN. SPD-Spitzenkandidat Karl Nolle (55) für die OB-Wahlen in Dresden am 10. Juni wirft hin. Der Freund von Kanzler Schröder will nicht mehr Oberbürgermeister werden. Die für Sonnabend angesetzte Wahlversammlung der SPD fällt aus.
Nolles offizielle Begründung: „PDS und Bündnis90/Grüne haben sich gegen mich ausgesprochen.“ Die drei Oppositionsparteien suchten bisher vergeblich einen gemeinsamen OB-Kandidaten, um Amtsinhaber Herbert Wagner (52, CDU) abzuwählen.
Der Vorstoß Nolles vor diesem Hintergrund stieß aber auch in der eigenen Partei bei vielen auf Ablehnung.
Stattdessen favorisierten selbst SPD-Linke den Ex-SED-Mann Wolfgang Berghofer (parteilos) als aussichtsreichsten Gegenkandidaten. Während Druckereibesitzer Nolle den als Wahlfälscher verurteilten Berghofer einen „Mann von gestern“ nennt.
Kommentar
Die SPD-Landesvorsitzende hat am 4.1.01, ohne sich mit der Dresdner SPD ins Benehmen zu setzen, die Wählbarkeit von Berghofer ins Spiel gebracht.
Eine Meinungsbildung zu Berghofer kann aber in der Dresdenr SPD solange nicht stattfinden, als von ihm keinerlei Aussagen über Inhalte und Politikstil vorliegen und ebenfalls keine Antwort auf eine Kandidatur gegeben wurde. Sollte der Versuch gemacht werden, von wem auch immer, ohne Prüfung, Würdigung und Bewertung aller bekannten und noch abzufordernden Fakten eine Berghoferunterstützung der Dresdner SPD mehrheitlich aufzuzwingen, so ist das die Zerreissprobe der Partei, abgesehen davon dass zahlreiche Mitglieder mit zusammen einigen zehn Jahren Bautzen nach der Wende ihre politische Heimat in der SPD gefunden haben.
Mit den Altlasten von Berghofer wird kein Amtsbote, Referent oder Referatsleiter bei der Stadt oder sonstwo im öffentlichen Dienst eingestellt.
Um nicht mißverstanden zu werden, es geht um die Spitze der Stadt, an die andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Berghofer als OB, das wäre ein Schlag ins Gesicht der tausenden Kleinen, die man "hängte" um die Großen laufen zu lassen.
Wäre das nicht gerade das falsche Signal 10 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur? Ich bin gespannt auf die demokratischen Verrenkungen, die uns in den nächsten Monaten noch zugemutet werden und auf die überzeugenden Erklärungen, warum mit Berghofer alles gut werden wird. Einige U-Boote, auch in der SPD, haben ihre Sehrohre zum Auftauchen schon ausgefahren. Da wird es seltsame Koalitionen geben.
KARL NOLLE