Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 07.08.2004

CDU-Kampf um Wähler wird zur Ein-Mann-Show

 
Dresden. Seit Wochen kämpft die Sachsen-CDU mit einem ungewohnten Trend. Eine Umfrage nach der nächsten wird veröffentlicht - und es geht kontinuierlich bergab für die Union im Freistaat. Waren es vor einem halben Jahr bei Emnid noch 57 Prozent, so sackte die CDU zuletzt auf 44 ab. Entsprechend dicke Luft herrscht bei den Wahlstrategen in Dresden. "Die Werte können uns nicht zufrieden stellen", sagt CDU-Generalsekretär Hermann Winkler relativ gefasst. Andere aber sind entgeistert: "Kaum zu glauben".

Um politisch Boden unter die Füße zu bekommen, halten sich die Christdemokraten an jene Werte, die nicht so negativ sind. Das Rüstzeug dafür liefert ebenfalls Emnid. Trotz der CDU-Verluste allgemein, so lautet die Nachricht von Leiter Klaus-Peter Schöppner gestern, sei die Zustimmung zur Politik von Regierungschef Georg Milbradt (CDU) weiterhin stabil. 57 Prozent der Sachsen seien mit dessen Amtsführung einverstan-den, das ist exakt derselbe Wert wie im Dezember 2003. Und relativ gu-te Noten bekommt der Ministerpräsident auch vom Klientel der Oppo-sition. Fast die Hälfte der SPD-Wähler bewertet Milbradts Politik positiv. Bei der PDS sind es immerhin noch 36.

Das wird die kommenden Wochen prägen. "Wir werden einen stark personalisierten Wahlkampf führen", sagt Winkler, alles werde "auf Milbradt zugeschnitten". Im Klartext: Das Ringen um die Wählergunst in Sachsen wird zur Ein-Mann-Show, nach dem Niedergang in Umfragen setzt die Union nur noch auf ihren Chef und seine Popularität. Entsprechend voll gepackt ist der Terminkalender. Nicht weniger als 150 Auftritte des Spitzenkandidaten sind geplant im Land, und auf nahezu allen Plakaten wird Milbradt persönlich auftauchen. Erste Folge: Die CDU hat ein fertiges Plakat wieder eingestampft - weil der Chef hierauf nicht zu sehen war.

Opposition wittert Morgenluft

Trotz dieser Neuausrichtung wittert die Opposition Morgenluft. "Die CDU hat ihren Zenit überschritten", jubelt André Hahn, der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion. Erstmals seit der Wende sei die absolute CDU-Mehrheit in Gefahr. Und auch SPD-Fraktionschef Thomas Jurk sieht die "Union im freien Fall", Milbradt habe die "Quittung für sein Lavieren bei den Sozialreformen gekriegt". Endgültig den Finger in die Wunde aber legt FDP-Mann Holger Zastrow. "Immer mehr Sachsen spüren, dass es im Land längst nicht mehr so schnell voran geht wie noch unter Kurt Biedenkopf", meint der Liberale. Das "Abonnement auf absolute Mehrheiten" sei dahin.

Für Milbradt klingt das wie eine Zumutung. Denn hoch liegt die Latte für ihn aus vergangenen Jahren, 1999 hatte die CDU unter Biedenkopf fast 57 Prozent geholt. Hinzu kommt die Tatsache, dass es noch immer stille Vorbehalte gibt auf Seiten alter Biedenkopf-Anhänger in der CDU. Sollte die Sachsen-Union am Wahl-tag Mitte September abstürzen, würden diese Stimmen wieder laut.

Doch auch hier hat Meinungsforscher Schöppner einen für Milbradt beruhigenden Aspekt parat. Während sich in Umfragen verstärkt der Frust der Menschen spiegele, meint der Emnid-Experte, gehe es an der Urne eher um faktische Politik. Dann werde schon mal "das kleinere Kompetenzübel" gewählt - die Union.
(von Jürgen Kochinke)