Karl Nolle, MdL
Neues Deutschland ND, 09.08.2004
Stasi-Keule nun auch gegen Peter Porsch
PDS-Vorsitzende Ernst: Anschuldigungen pünktlich zu Beginn des sächsischen Wahlkampfes
Nun tauchen auch Stasi-Vorwürfe gegen den sächsischen PDS-Spitzenkandidaten Peter Porsch auf. Laut »Focus« soll er als »IM Christoph« für die HVA gearbeitet und dabei sogar seine Frau bespitzelt haben.
In der Sache brachte die Pressekonferenz gestern in der Dresdner PDS-Wahlkampffabrik wenig Neues über die ersten Gerüchte hinaus. Ein sichtlich geschockter und erregter Peter Porsch will vor weiteren Erklärungen erst die Akten sehen. Eine solche Einsicht will sein Anwalt und Landtags-Fraktionskollege Klaus Bartl auch Ehefrau Regine Porsch empfehlen, die zur Antragstellung berechtigt ist. Es sind offenbar sehr schmale Akten, über die das Magazin »Focus« wohl verfügt, und die bei drei Landtags- und einer Hochschullehrer-Überprüfung nicht bei der Birthler-Behörde aufgetaucht waren.
Porsch bestritt jede aktive Zusammenarbeit mit der Stasi. »Wenn irgendwo eine Verpflichtungserklärung auftauchen sollte, muss sie gefälscht sein«. Er habe sich schon vor seiner Übersiedlung in die DDR 1973 an der FU Berlin offen als Vietnamkriegsgegner bekannt, und er habe auch über eine fragliche Lesung am Rande der Leipziger Buchmesse 1984 in der Wohnung seiner späteren Frau offen geredet. Ob er dabei unwissentlich abgeschöpft worden sei, könne er nicht sagen. Über die Lesung mit der später ausgereisten Autorin Christa Moog soll Porsch angeblich berichtet und dabei auch seine damalige Freundin denunziert haben. An diesem Punkt wird Porsch denn doch »stinkend sauer«, wenn der »Focus« versuche, einen Keil zwischen ihn und seine Frau zu treiben. Kein westdeutscher Politiker müsse sich so etwas gefallen lassen.
Der Schriftsteller Lutz Rathenow, 1984 ebenfalls bei dieser »brisanten Lesung« anwesend, bestätigt deren halböffentlichen Charakter und die Anwesenheit vieler unbekannter Personen. Üblicherweise konnte man schon wegen der beteiligten kritischen Autoren und anwesender Westjournalisten Informanten im Publikum vermuten. Der ehemalige Wiener Porsch, der 1973 in die DDR übersiedelte, war ihm damals nicht aufgefallen. Erfahrungsgemäß sei es bei der Einbürgerung ausländischer Staatsbürger, die beim Österreicher Porsch 1979 erfolgte, nie ohne Stasi-Zwangskontakte abgegangen. Daraus könne aber noch keine regelmäßige Zusammenarbeit gefolgert werden, relativierte Rathenow.
Aufschlussreicher als die momentan verwertbaren Fakten sind die Hintergründe der Anschuldigungen. Alle sächsischen PDS-Landtagsabgeordneten hatten Ende 2003 nochmals eine Selbstauskunft beim Verfassungsschutz beantragt. Hier allerdings war ein sechs Zeilen umfassender und bereits seit fünf Jahren vorliegender Hinweis auf Kontakte zur auslandsorientierten Hauptverwaltung Aufklärung HVA aufgetaucht. Er könnte aus den sogenannten Rosenholz-Dateien über westliche Stasi-Mitarbeiter stammen, ist aber nicht näher untersetzt. Inzwischen kursiert der Verdacht, ein SPD-Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz habe die HVA-Hinweise an die Presse lanciert.
Die PDS-Landesvorsitzende Cornelia Ernst wies auf den Erscheinungszeitpunkt der Vorwürfe unmittelbar vor Beginn des Landtagswahlkampfes hin. In der PDS-Wahlkampfzentrale wird aber auch spekuliert, der späte Versuch, erneut die Stasi-Karte gegen die im Aufwind befindliche PDS zu spielen, könne ihr wie in der Vergangenheit eher zusätzliche Wähler zutreiben.
Nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass sich der »Focus« und die sächsische PDS in einer anderen Sache vor Gericht streiten. Es geht um Anschuldigungen, der Bundespräsidentenwahlmann und Antifaschist Hans Lauter habe die Sprengung der Leipziger Universitätskirche 1968 mit zu verantworten.
Trotz des Schocks demonstrierte Peter Porsch gestern auch Routine: In einer Presserklärung zur Rechtschreibreform plädierte er für mehr Gelassenheit.
(Von Michael Bartsch, Dresden)