Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 05.10.2004

Haushalt und Frustbriefe: CDU-Chef in Zugzwang

Neben Juniorpartner SPD setzt auch die eigene Basis das Milbradt-Team unter Druck
 
Wenn heute in Dresden die Verhandlungsteams von CDU und SPD erstmals über den künftigen Landesetat beraten, könnte dies bereits mit einer Überraschung enden: Dem Verzicht auf einen erneuten Doppelhaushalt, mit dem die Einnahmen und Ausgaben über einen Zeitraum von zwei Jahren – also für 2005 und 2006 – festgeschrieben werden.

Vor allem die Sozialdemokraten drängen auf Rückkehr zu einem Jahresetat, der sich in Sachsen auf jeweils rund 16 Milliarden Euro beläuft. Zu unüberschaubar seien beispielsweise die Folgen der anhaltend hohen Abwanderung oder die Schwankungen bei den Steuereinnahmen. Ab sofort könne deshalb wieder nur zwölf Monate im Voraus geplant werden, hieß es gestern.

Für die CDU wäre der Verzicht auf den Doppeletat ein erster Kompromiss bei den mindestens bis in den November andauernden Koalitionsrunden. Weil man dabei aber noch die eine oder andere Kröte schlucken muss, will man nicht schon zum Auftakt den Rückzug antreten. Entsprechend verhaltend fielen die Reaktionen aus: Darüber reden könne man. Ob es aber zu einer Änderung kommt, sei fraglich.

Diese Zurückhaltung verwundert nicht. Immerhin weiß CDU-Chef und Ministerpräsident Georg Milbradt, dass er nicht nur mit der SPD am Verhandlungstisch sitzt. Viel misstrauischer wird er von der eigenen Klientel beobachtet, die nach dem Verlust der absoluten Mehrheit und von 16 Prozent der Wählerstimmen immer noch um Fassung ringt.

Kritik an den Kritikern: Unproduktive Quatscherei

Der Frust über das schlechte Abschneiden hat jetzt sogar zum Ruf nach personellen Konsequenzen geführt. Der CDU-Kreisverband Mittweida forderte Generalsekretär und Wahlkampfchef Hermann Winkler, der Mitglied des CDU-Teams bei den Koalitionsrunden ist, offen zum Rücktritt auf. Von „fundamentalen Fehlern“ ist in einem Brief die Rede, der an alle Kreisverbände verschickt wurde. Hinter vorgehaltener Hand werden einige Enttäuschte konkreter und zielen sogar direkt auf Milbradt. „Wenn der die Diskussion über die Wahlschlappe weiter unterdrückt, wird das auch eine Gefahr für ihn“, spielt man auf den geplanten Sonderparteitag an, der den Koalitionsvertrag abnicken muss.

Auch in der Landesgruppe der CDU-Bundestagsfraktion drängt man auf ein klares Wort. Zwar sei Milbradt vorige Woche innerhalb von zwei Stunden zu ihnen nach Berlin geeilt. „Doch auf unsere Frage nach der Verantwortung für den Wahlausgang gab es keine Antwort.“

So viel Protest ruft nun Milbradt-Vertraute wie Arnold Vaatz auf den Plan. „Wer jetzt durch Quatscherei neue Fehler macht, handelt hochgradig kontraproduktiv“, fauchte er gestern in Richtung Unbekannt zurück und rief zur Konzentration auf die Verhandlungen mit der SPD auf. Winkler will unterdessen noch diese Woche nach Mittweida reisen und bietet zudem allen Kreisverbänden „offene Gespräche zur Wahlanalyse“ an. Ein Rücktritt ist für ihn kein Thema. Zumal die Kritik aus Mittweida bisher ohne Resonanz blieb.
Von Gunnar Saft