Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 12.10.2004
Angst vor der Kita-Hürde
Streit um Zugangskriterien wird zur Belastungsprobe für neues CDU-SPD-Bündnis
Nach zwei Wochen zäher Koalitionsgespräche stehen CDU und SPD heute vor einem gefährlichen Scheideweg. Auf den Tisch kommt das brisante Thema „Kindertagesstätten“ und damit erstmals ein Problem, bei dem beide Partner seit Jahren völlig andere Interessen vertreten.
„Für die SPD ist klar, dass es keinerlei Kriterien geben darf, mit denen Kindern ein Betreuungsplatz in Krippen, Kindergärten oder Horten verwehrt werden kann“, hatte sich die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Gisela Schwarz, bereits vor der Wahl festgelegt. Hintergrund waren die seit zwei Jahren in vielen Kommunen eingeführten Neuregelungen. Danach steht vor allem dem Nachwuchs von arbeitslosen oder nichtberufstätigen Eltern nur eine eingeschränkte Kita-Betreuung zu. Zum Teil wurde hier die übliche Betreuungszeit mehr als halbiert oder der Anspruch auf einen Platz ganz gestrichen. Die bisherige CDU-Alleinregierung hatte dies stets toleriert. Man gab damit vor allem dem Druck der Kommunen nach, die für sich beanspruchten, ohne diese rigorosen Einschnitte das Kita-Angebot nicht mehr finanzieren zu können. Zum Teil war der Einwand sogar gerechtfertigt, denn trotz gestiegener Kosten verweigert die Regierung den betroffenen Städten und Gemeinden bis heute eine regelmäßige Anpassung der Landeszuschüsse.
Staatskanzlei: Keine Ministerimporte geplant
Sozialverbände und Opposition erhöhen nun den Druck auf die SPD. „Schon um allen die gleichen Bildungschancen zu garantieren, darf es bei Kindern bis zu zehn Jahren keinerlei Ausschluss vom Betreuungsangebot geben“, fordert Regina Manne, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Auch die PDS – im Gegensatz zur SPD auch nach der Wahl in der Opposition – fordert ein Verbot der Zugangskriterien. „Ich hoffe dabei voll auf die Genossen der Sozialdemokratie“, meint der Abgeordnete Falk Neubert. Den Koalitionspartnern sitzen aber auch die Kommunen im Nacken. Vor wenigen Tagen verlangte Sachsens Städte- und Gemeindetag ultimativ höhere Zuschüsse, während man die Zugangskriterien vehement verteidigte.
SPD und CDU stecken damit in der Zwickmühle. Hektisch wird an folgendem Kompromiss gebastelt: Wegfall der Zugangsbeschränkungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Kita-Pauschalen. Dies hat aber seinen Preis und ist ohne Abstriche an anderen Stellen unbezahlbar. So etwas ist aber heikel, da hinter den Kulissen der Koalitionsrunde längst der Personalpoker um die Besetzung der einzelnen Ministerien tobt. Ohne auf Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck einzugehen, der am Wochenende triumphierte, er habe diesmal bewusst nur Ostdeutsche in seine Regierung berufen, erklärte gestern auch Sachsens Regierungssprecher Christian Striefler: „Bei uns wird es keine Ministerimporte geben.“ Das heißt, einige der Koalitions-Streithähne könnten bald gemeinsam am Dresdner Kabinettstisch sitzen. Da muss man sich vorab arrangieren.
Von Gunnar Saft