Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 10.11.2004
SPD: Weiss Favorit für Fraktionschef
Dresden. Kurz vor der Wahl von Georg Milbradt (CDU) als Regierungschef geht das Rätselraten rund um Sachsens Kabinett in eine neue Runde. Milbradt selbst hüllt sich weiter in Schweigen, in der CDU herrscht angespannte Ruhe - keine offizielle Aussage zu Ministern, keine Namen. Dagegen lichtet sich beim kleinen Koalitionspartner SPD das Dunkel. Als neuer Wirtschaftsminister scheint SPD-Fraktionschef Thomas Jurk fest gesetzt, die Chemnitzer Sozialdezernentin Barbara Ludwig soll offenbar Wissenschaftsministerin werden.
Punkt für Leipzig
Damit aber stehen die Sozialdemokraten vor einer weiteren Personalentscheidung. Mit Jurks Gang ins Kabinett wird ein Wechsel an der Spitze der Landtagsfraktion notwendig. Offiziell soll der neue Vorsitzende am kommenden Montag gewählt werden. Beste Chancen aber scheint ein Leipziger zu haben: Der ehemalige Uni-Rektor Cornelius Weiss wird SPD-intern als heißer Kandidat für den Posten des Fraktionschefs für die kommenden zwei Jahre gehandelt.
Zwar ist Weiss mittlerweile 71, als Alterpräsident im Landtag hat er aber vor wenigen Wochen mit einem Plädoyer für die wehrhafte Demokratie Profil gewonnen. Darüber hinaus gilt Weiss als loyaler Anhänger von Jurk, und nebenbei könnte er das Gewicht der Leipziger SPD an der Elbe stärken - nicht zuletzt mit Blick auf die OBM-Wahl von Wolfgang Tiefensee (SPD) im kommenden Frühjahr. Dabei firmiert Weiss als Interimslösung, könnte die Fraktion solange führen, bis ein jüngerer SPD-Abgeordneter aufgebaut ist.
Zitterpartie für Milbradt
Unterdessen zeichnet sich ab, dass die Wahl von Milbradt heute im Parlament zur Zitterpartie wird. Gestern kündigten Vertreter von PDS, FDP sowie Grünen an, geschlossen gegen den Kandidaten der CDU/SPD-Koalition zu votieren. Die Mehrheit der Regierungspartner im Parlament ist hauchdünn, CDU und SPDkommen zusammen auf gerade mal 68 von 124 Stimmen. Sollten sich mehr als fünf Abtrünnige gegen Milbradt positionieren, wäre ein zweiter Wahlgang nötig - ein Desaster für den Regierungschef wie die Koalition.
Entsprechend eindeutig positionierte sich CDU-Fraktionschef Fritz Höhle. "Es muss im ersten Wahlgang funktionieren, sonst machen wir uns lächerlich", sagte er gestern in Dresden. Gleichzeitig gab sich Hähle optimistisch. Er gehe davon aus, dass sich die "selbstzerstörerischen Kräfte" in Grenzen halten. Intern rechnen CDU-Kreise mit lediglich "zwei, drei Abweichlern" in eigenen Reihen - was für Milbradt reichen würde. Nach Aussage von Jurk soll es nicht am Zuspruch von SPD-Seite mangeln. "Die 13 Stimmen zur Wahl stehen", sagte er gestern und meinte die komplette Zahl der eigenen Abgeordneten.
Geschlossenheit wird für die Koalitionäre auch aus einem weiteren Grund zur Pflichtübung. Die rechtsextreme NPD schickt einen eigenen Kandidaten ins Rennen, ihren Parlamentarischen Geschäftsführer Uwe Leichsenring. Der Versuch ist zwar aussichtslos, sorgt aber für Aufmerksamkeit - als politikfernes Spektakel.
Jürgen Kochinke