Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 14.01.2005
NPD treibt demokratische Parteien in Sachsen vor sich her
Untersuchungsausschuß zu Skandalen in der Landesbank beantragt - CDU unterzeichnet erstmals Dokument gemeinsam mit der PDS
Dresden - Erneut sorgt die NPD im Dresdner Landtag für Furore. Die Rechtsextremen beantragten jetzt die Einsetzung eines Untersuchungsauschusses zu den Skandalen in der Landesbank. Damit werden die anderen Fraktionen unter Druck gesetzt - sie erwägen nun selbst, die Vorgänge in dem Institut untersuchen zu lassen.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Nolle, sagte der WELT, "dieses Thema ist viel zu lange aus parteitaktischen Gründen unter der Decke gehalten worden". Davon würden nun die Rechtsextremen profitieren. Bis September vergangenen Jahres regierte die CDU in Sachsen mit absoluter Mehrheit, seit ihren erdrutschartigen Verlusten ist sie auf die Hilfe der SPD angewiesen.
Nolle hält es für "dringend geboten, daß die demokratischen Parteien einen eigenen Untersuchungsausschuß einsetzen". Der unbequeme Sozialdemokrat hatte noch in einer Pressemitteilung vom Donnerstag die Staatsregierung aufgefordert, den Vorstand der SachsenLB zu suspendieren. Auslöser dafür war ein Urteil des Oberlandeslandesgerichtes (OLG) Dresden. Die Richter halten es für wahrscheinlich, daß die Bank in einem Prozeß eingebrachte Akten manipuliert hat. Laut Nolle geht es um "Prozeßbetrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zur Falschaussage". Die Feststellungen des OLG sind der vorläufige Höhepunkt in einer Vielzahl von Ungereimtheiten und Skandalen. Doch bislang haben sich sowohl Ministerpräsident Georg Milbradt als auch Finanzminister Horst Metz (beide CDU) stets hinter das Leipziger Geldhaus gestellt. Daran änderte sich auch nichts, als die Bank mehrere Prozesse verlor und unabhängige Gutachten Fehlverhalten attestierten. Auch Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) hatte, noch in der Opposition, den Rücktritt von Vorstandschef Michael Weiss gefordert.
Monatelang haben die Regierungsparteien sowie PDS, Grüne und FDP um ein abgestimmtes Verhalten gegenüber den Rechtsextremen im Landtag gerungen. Nun kam es zu einem bemerkenswerten Schulterschluß. In einer von den Fraktionsvorsitzenden unterzeichneten Erklärung heißt es, trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen sei man sich einig, daß die Verteidigung der Demokratie Vorrang vor den Parteiinteressen haben müsse. Dringlichste Aufgabe sei es, "jene von der Demokratie enttäuschten Bürgerinnen und Bürger für die demokratische Wertegemeinschaft zurückzugewinnen". Dies verlange "sachorientierte und erfolgreiche Regierungsarbeit" ebenso wie kritische und konstruktive Oppositionsarbeit.
Als "feigen Anschlag" auf die Demokratie werten die Fraktionschefs die geheime Gefolgschaft einzelner Abgeordneter bei Abstimmungen mit der NPD. "Bei zweifelsfreier Identifikation" will man die Abtrünnigen "unverzüglich aus den jeweiligen Fraktionen ausschließen". Ausdrücklich nicht in Frage gestellt wird das Grundprinzip freier und geheimer Wahlen. Gegenseitige Schuldzuweisungen soll es nicht mehr geben.
Bislang hatte die CDU jegliche gemeinsame Initiative mit der PDS abgelehnt. Mit der gemeinsamen Erklärung werden die Linkssozialisten als demokratische Partei legitimiert. "Ich brauche nicht die höheren Weihen der politischen Konkurrenz", sagte PDS-Fraktionschef Peter Porsch der WELT. "Das ist doch nicht das Ende, sondern der Anfang."
von Frank Käßner und Uwe Müller