Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 20.01.2005

Fünf anonyme Stimmen für die NPD

Landtag. Im Schutz geheimer Abstimmungen entscheiden sich sächsische Abgeordnete weiter gegen die eigenen Fraktionen.
 
Die sächsische NPD-Fraktion hat bei einem Votum im Dresdner Parlament gestern erneut zusätzliche Stimmen von Abgeordneten anderer Landtagsfraktionen erhalten.

Bei der geheimen Wahl von zwei Vertretern für den Landesjugendhilfeausschuss erhielten die beiden NPD-Bewerber 17 bzw. 15 Stimmen, obwohl ihre eigene Fraktion lediglich zwölf Mitglieder hat. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, als sich CDU, PDS, SPD, FDP und Grüne im Vorfeld darauf verständigt hatten, zwar nicht gegen die NPD-Kandidaten zu stimmen, sich dafür jedoch komplett der Stimme zu enthalten. Damit sollte gewährleistet werden, dass die NPD-Bewerber die ihnen laut Gesetz zustehenden Ausschussplätze erhalten, ihre Wahl allerdings nur mit Hilfe der zwölf Stimmen aus der eigenen Fraktion erfolgt.

Nachdem es bei der Wahl des sächsischen Ministerpräsidenten sowie der Ausländerbeauftragten im vergangenen Jahr erstmals zwei anonyme Stimmen aus anderen Fraktionen für die NPD gegeben hatte, fielen die Reaktionen auf das jüngste Ergebnis unterschiedlich aus. Abgeordnete von CDU und FDP verwiesen darauf, dass im Fall eines Scheiterns der NPD-Bewerber eine erfolgreiche Wahlanfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof gedroht hätte. Möglicherweise hätte das einige Abgeordnete unabgesprochen zu einer „taktischen Stimmabgabe“ bewogen. PDS und Grüne lehnten diese Version ab und verwiesen darauf, dass eine Enthaltung ausgereicht hätte, um den Klageweg zu verhindern. Offenbar würden einzelne Parlamentarier den Ernst der Lage immer noch nicht verstehen und als „Heckenschützen“ ihrem Frust über Probleme in den eigenen Fraktionen weiter freien Lauf lassen – zum Schaden Sachsens.
Von Gunnar Saft