Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 20.01.2005

Auf Sachsen fällt ein Schatten

„Konsens der Demokraten“ quält sich mit der NPD im Landtag
 
Es sollte die Bewährungsprobe für den neuen Konsens der Demokraten im Landtag werden. Ein gut organisierter und disziplinierter Umgang mit den Vorstößen der NPD war für den gestrige Parlamentstag geplant. Doch der Versuch ging vorerst daneben: Bei der Besetzung des Jugendhilfeausschusses erhielten die beiden NPD-Kandidaten diesmal sogar 17 und 15 Stimmen – obwohl die Partei nur zwölf Mandate im Landtag hat.

Schon bei der Wahl Georg Milbradts zum Ministerpräsidenten und bei der Kür der Ausländerbeauftragten hatten NPD-Gegenkandidaten zwei Stimmen mehr bekommen. Vor einer Woche hatten die Fraktionen von CDU und SPD, von PDS, FDP und Grünen dann ein einheitlicheres Vorgehen vereinbart und ein gemeinsames Papier vorgestellt, in dem sie sich scharf von der NPD distanzieren. „Trotz unterschiedlicher politischer Auffassungen sind wir uns darin einig, dass die Verteidigung der Demokratie Vorrang vor den Parteiinteressen haben muss.“

Nun mussten die Vertreter für den Landesjugendhilfeausschuss gewählt werden, in dem der NPD per Gesetz ein Sitz zusteht. Absprache der anderen Fraktionen war, sich zu enthalten, so dass die NPD allein ihre Kandidatin Gitta Schüßle und Stellvertreter Matthias Paul wählt. Andernfalls, so die Befürchtung, würde die NPD vor dem Verfassungsgerichtshof triumphieren. Tatsächlich gab es 77 und 76 Enthaltungen – doch es gab auch fünf und drei Stimmen mehr für die Rechtsextremisten. Acht- und neunmal wurde mit Nein gestimmt, zudem gab es
16 ungültige Wahlzettel.

„Politische Arschlosigkeit“, nennt das Ex-Innenminister Heinz Eggert. Nach dem NPD-Einzug würden die demokratischen Parteien selbst Sachsens Ansehen schädigen. Für CDU-Fraktionschef Fritz Hähle war das Ergebnis „nicht glücklich, aber auch kein Beinbruch“. Entscheidend sei, dass die NPD bekommen habe, was ihr zustand. Auch SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss zeigte sich bei allem Ärger über den „Schatten, der auf Sachsen fällt, zuversichtlich, dass die Absprachen zwischen den Fraktionen künftig besser klappen.

Dabei hatte der Tag zunächst nach Drehbuch begonnen. Den Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum dubiosen Geschäftsgebaren der Landesbank SachsenLB lehnten die Fraktionen einhellig ab. Für die Koalition bezeichnete CDU-Fraktionsvize Frank Kupfer den Antrag als „Politklamauk“ und ungeeignetes Mittel. Am 2. Februar werde Finanzminister Horst Metz (CDU) im Haushalts- und Finanzausschuss Stellung zu den Vorwürfen nehmen. PDS-Haushaltsexperte Ronald Weckesser warf der NPD für die Opposition vor, sie wolle gar keine Aufklärung. Doch absprachewidrig und angeblich auch auf Geheiß Milbradts ging Metz ans Mikro und verteidigte die massiv in der Kritik stehende Landesbank.

SPD-Mann Karl Nolle packte darauf die Wut, er ergriff ebenfalls das Wort. Ursprünglich war auch er für einen Untersuchungsausschuss, lehnte aber den NPD-Antrag ab. Der Auftritt der Staatsregierung sei „ein einziger Jammer“, schimpfte Nolle über Metz, die Sachsen LB werde das Parlament noch beschäftigen. Zugleich fügte er aber hinzu, Neonationalsozialismus sei „keine falsche Meinung, sondern ein Verbrechen“. Er könne grundsätzlich keinem NPD-Antrag zustimmen.

Auch ein anderen Anlauf der Demokraten ging schief. PDS-Mann Klaus Bartl erhielt abermals nicht die erforderliche Stimmenzahl zur Wahl in das Parlamentarische Kontrollgremium, das den „Großen Lauschangriff“ überwacht. Bartl erhielt nur 59 von 63 nötigen Stimmen. Die PDS will den Fall nun rechtlich prüfen.

Den nächsten Test müssen die Demokraten morgen bestehen: Dann hat die NPD eine Debatte zum 60. Jahrestag der Zerstörung Dresdens auf die Tagesordnung gesetzt. Hauptredner für Koalition und Opposition soll nach gestrigem Stand der Alterspräsident und SPD-Fraktionschef Weiss sein.
Von Sven Heitkamp