Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 10.01.2001

Zwischen Hoffnung und Katastrophe

Dresdner Unternehmer sehen Kandidatur Berghofers mit Vorbehalt
 
DRESDEN. Die Möglichkeit einer Kandidatur Wolfgang Berghofers bei der Oberbürgermeisterwahl im Juni stößt in der Dresdner Wirtschaft auf ein zwiespältiges Echo. Neben Stimmen, die sein Antreten begrüßen würden, gibt es viel Skepsis.
"Berghofer ist wegen Wahlbetrugs verurteilt", sagt der Präsident der Handwerkskammer, Bernd Rendle. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da noch kandidieren kann. Dresden braucht einen integren, über jeden Zweifel erhabenen Oberbürgermeister. Sonst laufen wir Gefahr, dass die Stadt etwas von ihrem guten Ruf einbüßt." Der Geschäftsführer von Schäfer IT-Logistik, Christian Michel, einer der Vizepräsidenten der Industrie- und Handelskammer (IHK), reagierte noch härter. "Berghofer wäre eine Katastrophe", sagt er. Es gäbe wieder ein Patt im Rathaus, wo ein OB ohne Mehrheit im Stadtrat regiere. Das würde zum Stillstand in der Entwicklung der Stadt führen. Politisch gesehen sei Berghofer für jeden aufrechten Demokraten untragbar. Michel: "Ich bin mit mehreren Unternehmern im Gespräch, wenn es zu dieser Kandidatur kommt, gibt es eine scharfe Reaktion." Er unterstütze damit nicht OB Herbert Wagner. "Aber die Parteien haben die Pflicht, einen Demokraten aufzustellen." "Es wundert mich, dass Berghofer sich für diesen Posten überhaupt interessiert", sagt ein anderer IHK-Vize, der Ex-FDP-Abgeordnete Gunter Hielscher. "Ich schätze ihn als Mensch, aber es ist offen, ob er das neue System, wo man im Stadtrat Mehrheiten finden muss, beherrscht." Der Geschäftsführer von Kautasit Gummitechnik, Wolfgang Jahn, auch er ein IHK-Vize, hält dagegen. "Ich halte jede Alternative zu Wagner für die bessere. Ich kenne Berghofer aus alten Zeiten und halte ihn für fähig, Dresden zu führen." Auch Hartmut Quendt von den Dr. Quendt Backwaren wünscht sich frischen Wind. "Bis jetzt sind wir nicht so gut gefahren", sagt er. Aber er bezweifelt, ob Berghofer die Alternative ist. "Dresden braucht einen Mann an der Spitze, der nicht im Gezänk und in Abhängigkeiten steht." Bertram Dressel vom Technologiezentrum Dresden erinnert die Unternehmer an ihre eigene Verantwortung. "Es ist überflüssig zu diskutieren, wie der OB heißt. Wir müssen die Rahmenbedingungen nutzen, die die Stadt bietet." Da sei Dresden auf einem guten Weg. Und: "Wer vor der Wende in politischer Verantwortung gestanden hat, sollte heute keine politische Verantwortung mehr anstreben. Und zwar von sich aus. Das erwarte ich." So sieht es auch das geschäftsführende Präsidialmitglied des Steuerberaterverbandes Sachsen, Manfred Hofstede. "Berghofer ist in der DDR nicht durch innere Emigration OB von Dresden geworden. Ein Mann mit der Vergangenheit ist außerhalb Dresdens nicht tragbar. Wir würden uns selbst ins Abseits manövrieren." Auch der DGB ist skeptisch. Er glaube, dass Berghofer mit seiner Geschichte Probleme bekomme, sagt der Dresdner DGB-Kreischef Rolf Neher. "Mit ihm würde das ein Wahlkampf, wo es nur um die Vergangenheit zweier Personen geht, und nicht um die Zukunft Dresdens."
(von Markus Lesch)