Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 04.02.2005

Die Landesbank unter der Lupe

 
Leipzig/Dresden. Offiziell macht die Landesbank Sachsen (Sachsen LB) gute Miene zum zumindest komischen Spiel: Das Institut begrüße ausdrücklich die am Mittwoch im Haushalts- und Finanzausschuss des Landtags geborene Idee, den Sächsischen Rechnungshof mit der Bewertung der Tochter Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) zu beauftragen, sagte Sprecher Frank Steinmeier. Schließlich habe die Sachsen LB schon seit Beginn des Streits um die MDL mit dem Minderheitsgesellschafter, der Tutzinger Industrie- und Immobilienleasing, die Einschaltung eines neutralen Dritten gefordert.

Hinter den Kulissen allerdings wird sowohl bei der Bank als auch in der Landespolitik diskutiert, ob der Rechnungshof tatsächlich das richtige Organ für diese umfangreiche Branchen- und Bankkenntnisse voraussetzende Aufgabe ist. Doch die Botschaft, die dahinter steht, ist offenbar wichtiger als fachliche Bedenken: "Seht her, wir schaffen Transparenz", formuliert es ein Finanz-Experte der Dresdner Regierungskoalition spöttisch.

In der Tat scheint Transparenz nicht nur bei der Leasing-Tochter, sondern bei der gesamten Landesbank zurzeit dringend geboten. Die stetigen Querelen um das Institut werden nämlich zunehmend auch zur politischen Bedrohung für Regierungschef Georg Milbradt (CDU). Nachdem Finanzminister Horst Metz (CDU) noch vor wenigen Tagen im Landtag den angeschlagenen Bankern rund um Sachsen-LB-Chef Michael Weiss einen Persilschein ausgestellt hatte, gibt es jetzt Kritik von vielen Seiten. Im Zentrum dabei steht Milbradt. So fordert nicht nur PDS-Finanzexperte Roland Weckesser eine Regierungserklärung vom Ministerpräsidenten, Sorgen bereitet vor allem die FDP. Die Liberalen haben eine große Anfrage zur Sachsen LB gestellt, im Zentrum stehen hoch prekäre Details - von Risiken für den Staatshaushalt bis zu möglichen Verwicklungen international.

Unter anderem geht es in dem 40 Fragen starken Katalog um Einzelheiten, die sich unter dem Stichwort "Bilanzkosmetik" verbuchen lassen. Die Staatsregierung und die Bank sollen beispielsweise offenlegen, in welchem Maße in den vergangenen neun Jahren so genannte stille Reserven genutzt wurden, um das Betriebergebnis zu erhöhen. Ebenso soll das Institut dazu Stellung nehmen, wie hoch die mit Hilfe stiller Reserven und so genannter Überkreuzkompensationen abgedeckten Wertberichtigungen und Verluste aus dem Beteiligungsgeschäft der Bank in dieser Zeit ausfielen. Auf den Dresdner Landtagsfluren munkelt man, insbesondere bei einer Immobliengesellschaft, an der die Landesbank als Minderheitsgesellschafter beteiligt ist, könnten Risiken in Millardenhöhe schlummern.

Skeptiker sprechen von einem "zweiten Fall Berliner Bankgesellschaft".

Für Milbradt kommt diese Debatte um die Sachsen LB zur Unzeit. Noch immer laboriert der Regierungschef an der CDU-internen Misere nach Verlusten bei der Landtagswahl, noch immer ist die Union in Aufruhr. Und nun das Banken-Problem: Mittlerweile fordern nicht mehr nur Oppositionspolitiker quer durch alle Fraktionen Aufklärung, auch der Koalitionspartner SPD geht erkennbar auf Distanz zur Sachsen-LB-Spitze. der wirtschaftspolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Karl Nolle, attestiert der Sachsen LB ein "gigantisches Transparenzproblem" und dem Vorstand des Instituts ein "gigantisches Vertrauensproblem". Hinzu kommt Kopfschütteln bei der CDU. Tenor: Milbradt hätte sich längst von Weiss trennen müssen, es drohe ein Dauerschaden für die Union.

Das ist Wasser auf die Mühlen der CDU-Kritiker an Milbradt. Nicht zufällig macht jetzt beim Thema Sachsen LB der alte Satz von Kurt Biedenkopf (CDU) die Runde. Milbradt, hatte der Amtsvorgänger 2001 gesagt, sei zwar ein hervorragender Fachmann, aber "ein miserabler Politiker". Der Umgang mit der Misere in der Sachsen-LB bestätige "den Wahrheitsgehalt der Worte von Biedenkopf", heißt in der CDU-Fraktion. "Geradezu apolitisch" stelle er sich hinter die Spitzenmanager - und befördere damit seine eigene Demontage.
Lars Radau/Jürgen Kochinke