Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 07.02.2005
"Richtige Fragen, falsche Antworten"
Interview mit Heinz Eggert, früherer sächsischer Innenminister
Dresden. Die NPD stellt teilweise die richtigen Fragen, gibt aber die falschen Antworten, sagt Heinz Eggert, CDU-Landtagsabgeordneter in Dresden und als früherer sächsischer Innenminister Gründungsvater der Soko Rex beim Landeskriminalamt.
Frage: Soll die NPD verboten und die Verfassung geändert werden, um ihre Aussagen unter Strafe zu stellen?
Heinz Eggert: Die NPD-Funktionäre würden wohl jeden Abend darauf anstoßen, dass sie sogar die Kraft haben, das Verfassungsgefüge einzuschränken. Davor kann ich nur warnen. Wer glaubt, wir seien schon in den Händen der Rechten, der irrt. Und selbst wenn wir die NPD verbieten, bleiben die offenen Fragen der Bürger und ein Märtyrerstatus, der der NPD nur mehr Sympathisanten zutreibt. Wir müssen uns mit den Rechtsextremen auseinander setzen, nicht nur wegen unseres Ansehens nach außen, sondern weil wir es uns schuldig sind.
Die Aufregung um Hartz IV im vorigen Sommer muss als Grund für den Erfolg der NPD in Sachsen herhalten. Ist das nicht zu simpel gedacht?
Immerhin sagen 80 Prozent der NPD-Wähler, sie hätten die Rechtsextremen wegen Hartz IV gewählt. Doch wer die Antwort auf Hartz IV reduziert, der denkt zu kurz. Dieser Wahlerfolg spiegelt vielmehr die ungeheure Unsicherheit in der Bevölkerung mit dem Sozialsystem Deutschlands wider. Auf diesem schwankenden sozialen Fundament finden Demagogen und Systemverweigerer wie die NPD, aber auch die PDS, leichter Gehör.
Anders als etablierte Parteien ...
Wir erleben derzeit in der Politik eine folgenlose Geschwätzigkeit, die Menschen in sozialer Unsicherheit nur noch mehr Angst macht. Es gibt da nichts Kraftvolles mehr - weder bei Rot-Grün, noch bei der Union. Schon wegen dieser verständlichen Verdrossenheit kann man die Auseinandersetzung mit der NPD nicht allein den Parteien überlassen. Zudem diskutieren die etablierten Parteien nur noch angstbesetzt: Es geht um Stellenstreichungen, Mittelkürzungen und Sozialabbau. Aber wo wird über Zukunftschancen diskutiert?
Das tut die NPD aber auch nicht.
Ein weiterer Grund ihres Erfolges ist aber, dass wir Themen wie Vaterland, Nationalstolz oder mögliche Verbrechen von Alliierten im Zweiten Weltkrieg zugedeckt haben. Viele Menschen fühlen sich durch diese politischen Tabus in DDR-Zeiten zurückversetzt. Dieser Eindruck muss aufgebrochen werden. Man kann diese Fragen sehr wohl im rechten, demokratischen Spektrum diskutieren, ohne gleich rechtsextrem, antisemitisch oder ausländerfeindlich zu sein.
Müssen wir mit einem längerfristigen Erfolg der NPD rechnen?
Darüber will ich gar nicht spekulieren. Wir müssen uns aber darauf einstellen, den Bürgern glaubhafte Antworten zu geben. Denn die NPD stellt teilweise die richtigen Fragen, gibt aber die völlig falschen, undemokratischen Antworten. Die NPD will unser demokratisches Systemabschaffen, obwohl sie gut in ihm lebt. Wir sind 1989 auf die Straße gegangen, um ein totalitäres System abzuschaffen und können jetzt nicht zusehen, wie die NPD das nächste vorbereitet.
Interview: Sven Heitkamp