Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.02.2005

Eine alte Affäre kommt wieder auf den Tisch

 
Investition. Sachsens Finanzministerium denkt über den Kauf des umstrittenen Behördenzentrums Paunsdorf nach.

Das Behördenzentrum Paunsdorf hat es in Sachsen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht – und das nicht etwa wegen seiner architektonischen Raffinesse. Die Investition eines Freundes von Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat knapp vier Jahre lang einen Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigt. Auch die Justiz prüfte das umstrittene Projekt.

Jetzt liegt der nur schwer verdauliche Brocken wieder auf dem Tisch der Regierung. Bis Ende des Jahres muss sie entscheiden, ob sie die Immobilie für etwa 120 Millionen Euro kauft oder weitere 15 Jahre die nach heutiger Marktlage überhöhten Mieten zahlt.

Der Untersuchungsausschuss im Landtag ermittelte intensiv das Zustandekommen der Mietverträge für das Bürogebäude in der Nähe Leipzigs, in dem mehrere Landesbehörden untergebracht sind. Im Kern ging es um die Frage, ob Biedenkopf zugunsten seines Freundes Einfluss auf die Mietverträge genommen und dem Land dadurch finanziell geschadet hat.

Der Landesrechnungshof rügte das Finanzministerium 1996 wegen zahlreicher schwerwiegender Mängel des Mietvertrages, die PDS-Fraktion, die den Untersuchungsausschuss eingefordert hatte, sprach in ihrem Minderheiten-Votum von einem finanziellen Schaden von insgesamt 138 Millionen Euro. Die CDU-Mehrheit im Ausschuss sah dagegen keine Nachteile für die öffentliche Hand.

Zum 31.Dezember 2005 kann das Land von seinem Ankaufsrecht Gebrauch machen. Um im Falle eines Falles finanziell flüssig zu sein, hat das Finanzministerium im Haushaltsentwurf 2005/06 in das so genannte Sondervermögen Grundstock vorsorglich einen Betrag von 140 Millionen Euro eingestellt.

„Die Erhöhung des Grundstockes beruht auf dem Vorsichtsprinzip und ist keine Vorentscheidung zugunsten des Kaufs des Behördenzentrums Paunsdorf“, teilte das Finanzministerium auf SZ-Anfrage mit. Zurzeit erarbeite der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, die Grundlage für eine Entscheidung pro oder contra Ankauf sein werde. Im Sommer soll das Gutachten vorliegen, kündigte eine Ministeriumssprecherin an.

Die Frage ist allerdings, ob die Vertragsgestaltung der Regierung überhaupt eine Wahl lässt. Schlägt sie die Kaufoption aus, zahlt sie bis zum Jahr 2020 für rund 50 000 Quadratmeter Fläche eine Jahresmiete von 8,5 Millionen Euro – bis dahin ist das Land an den Vertrag gebunden. Entscheidet sie sich für einen Kauf, ist das Land zwar stolzer Besitzer eines riesigen Bürogebäudes. Dafür muss sie allerdings einen Preis zahlen, der vor Jahren festgelegt wurde und den heute vermutlich kein Käufer mehr hinlegen würde. Die Kaufsumme entspricht nicht etwa dem heutigen Verkehrswert, sondern dem 15-fachen der jetzt gültigen Jahresmiete: rund 120 Millionen Euro. Ob das Land die Immobilie angesichts dieser Summe angemessen verwerten kann, ist zweifelhaft.

Nach Ansicht des parlamentarischen Geschäftsführers der PDS-Fraktion, André Hahn, kommt ein Kauf nur in Frage, wenn der Eigentümer mit dem Preis runtergeht. Der Schaden wäre sonst irreparabel. Außerdem müssten die Kosten für etwaige Folgeinvestitionen berücksichtigt werden.

Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, der damals wie Hahn Mitglied im Untersuchungsausschuss war, sprach sich dafür aus, nach rein wirtschaftlichen Erwägungen zu entscheiden. Da der Generalstaatsanwalt die Einleitung eines Untreueverfahrens in Sachen Paunsdorf gegen Biedenkopf und andere abgelehnt habe, gebe es jetzt keine rechtliche Möglichkeit mehr, die Verantwortlichen für dieses „bisher skandalträchtigste Amigoprojekt in Sachsen in Regress zu nehmen“, kritisierte der SPD-Politiker.
Von Karin Schlottmann