Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 19.02.2005

Rütteln am CDU-Chefstuhl

 
Dauerkritik. Nach den Kreisverbänden Freiberg und Mittweida drängt nun die Meißner Basis auf den Rückzug Georg Milbradts.

Georg Milbradt muss kein Herzensbrecher sein, er ist doch glücklich verheiratet.“

Wenn Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer zurzeit durch die Kreisverbände tourt, hat er einen schweren Stand. Er muss der unzufriedenen Parteibasis erklären, warum man mit dem Spitzenkandidaten Milbradt zwar haushoch die Landtagswahl verloren hat, es aber nur mit Milbradt in der Doppelfunktion als CDU-Landeschef und Ministerpräsident künftig wieder aufwärts gehen kann – auch und gerade wenn es jetzt „links und rechts heftig knallt“. Doch längst nicht überall kommt Kretschmers Botschaft an. Am Donnerstagabend ließen sich auch beim CDU-Kreisverband in Meißen die meisten Mitglieder nicht überzeugen, im Gegenteil. Mit klarer Mehrheit verabschiedeten sie ein bereits seit Wochen im Landesverband heftig diskutiertes Thesenpapier, in dem der Spitzenkandidat persönlich für die Wahlniederlage verantwortlich gemacht wird.

Und nicht nur das. Mit 36 zu 20 Stimmen stellte sich die Basis auch hinter einen Antrag, der Milbradt unverblümt zum Verzicht auf den Posten des sächsischen CDU-Parteichefs auffordert. „Wir brauchen eine starke Landesparteiführung mit einem eigenständigen Programm der CDU und einem unabhängigen Vorsitzenden, der Integrationsfigur für uns Sachsen ist“, lautet der Kernsatz des Kritik. Die gleiche Forderung hatten zuvor bereits die CDU-Kreisverbände Mittweida und Freiberg erhoben.

Der Meißner CDU-Kreisvorsitzende, Ex-Wissenschaftsminister Matthias Rößler, hält dem Sauerländer Milbradt dann auch immer offener vor, einfach nicht die Herzen der Sachsen erobern zu können. Eine unverhohlene Umschreibung für politische Erfolgslosigkeit, die nach Rößlers Meinung die Wiedereinführung von „bayrischen Verhältnissen“ für die Sachsen-CDU verhindert. Wer die Christdemokraten hier zu Lande dann künftig als Parteichef derart erfolgreich anführen soll, mag Rößler zurzeit nicht sagen. Nur so viel: „Wir haben viele gute Leute.“ Dass er sich dazu zählt, kann als sicher gelten.

Am Sonnabend kommender Woche wird sich übrigens erstmals zeigen, welchen Rückhalt die Kritiker, die Milbradt zur Aufgabe seiner Doppelfunktion Partei- und Regierungschef zwingen wollen, in den eigenen Reihen haben. Dann findet in Wurzen die erste von drei Regionalkonferenzen statt. Ein wichtiger Stimmungstest vor dem Sonderparteitag am 23. April in Bad Düben, auf dem der Streit um die Ämtertrennung entschieden wird.

Dem attackierten CDU-Chef Milbradt, der nächste Woche seinen 60. Geburtstag feiert, bleibt unterdessen auch in seinem „Zweitjob“ viel zu tun. Sachsens Ministerpräsident sagte jetzt kurzfristig eine Japan-Reise ab. Der Grund: Weil die Unzufriedenheit auch in der CDU-Landtagsfraktion grassiert, will Milbradt bei der wichtigen Abstimmung um den Rundfunkstaatsvertrag den knappen Fünf-Stimmen-Vorsprung der CDU-SPD-Koalition im Landtag persönlich mit sichern.
Von Gunnar Saft