Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 24.02.2005
SachsenLB verstrickt sich in weitere Widersprüche
Angeblich zwei Versionen einer Urkunde
Leipzig - Die Landesbank Sachsen (SachsenLB) hat sich in der Urkundenaffäre in weitere Widersprüche verwickelt. Führungskräfte der Bank stehen unter Verdacht, eine obligatorische Besitzanzeige manipuliert und rückdatiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Bundesanstalt für Finanzaufsicht prüft.
Sollte sich der auch vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden geäußerte Sachverhalt bestätigen, wären die verantwortlichen Manager, darunter Vorstandschef Michael Weiss, nicht mehr länger im Amt tragbar. Die WELT präsentierte gestern neue Beweisstücke und faksimilierte Dokumente, die die Fälschung nahelegen.
Ohne Kenntnis des Beitrags reagierte die Landesbank, die zuvor konkrete Fragen zum Sachverhalt unbeantwortet gelassen hatte, daraufhin schon am Vorabend der Veröffentlichung. In der Presseaussendung "SachsenLB wehrt sich gegen Fälschung" wurde behauptet, der WELT seien "offensichtlich gefälschte Dokumente" zugespielt worden. Die Nachrichtenagentur dpa verbreitete diese Version.
Zutreffend ist, daß in der Mittwochausgabe dieser Zeitung ein offenkundig manipuliertes Schriftstück abgebildet wurde, das Bestandteil einer Gerichtsakte ist. Dabei war es die SachsenLB selbst, die über ihre Kanzlei das angeblich am 15. April 2003 gefertigte Schriftstück als "Anlage B 3" ins Verfahren einbrachte.
Die Anlage, eine Kopie des Originals, enthält im Fußblock die Bankcode-Bezeichnung "BIC" - diese aber wurde erst im zweiten Halbjahr 2003 eingeführt, zuvor wurde "S.W.I.F.T." verwendet. Nun bestreitet die SachsenLB nicht mehr die Echtheit des gezeigten Dokuments.
Jetzt behauptet man, es gebe noch eine zweite Kopie, die den Code-Name "S.W.I.F.T." enthalte. Gewissermaßen handele es sich dabei um das "richtige" Dokument. Warum aber zwei Versionen existieren, von denen jeweils die Originale fehlen, und warum dem Gericht eine "falsche" Version vorgelegt wurde, bleibt unerläutert.
Vor dem OLG Dresden verlor die SachsenLB. Dabei ging es um einen mit harten Bandagen ausgetragenen Gesellschafterstreit in der Mitteldeutschen Leasing AG (MDL). An dieser Firma hält die SachsenLB 51 Prozent und die Industrie- und Immobilien-Leasing GmbH (IIL) des bayerischen Geschäftsmann Ludwig M. Hausbacher 49 Prozent. Hausbacher, der in mehreren Verfahren gegen die Bank Erfolg hatte, verlangt unter anderem Schadenersatz, weil sich die MDL in einer desolaten Lage befindet.
Um die Rechtmäßigkeit einer MDL-Hauptversammlung nachzuweisen, hatte die SachsenLB der Justiz besagte "Anlage B 3" vorgelegt. Doch schon die Richter äußerten die Vermutung, dieses Schriftstück könne erst nach dem angegebenen Datum entstanden sein.
Angesichts ständig neuer Ungereimtheiten sprach der Wirtschaftssprecher der SPD-Landtagsfraktion, Karl Nolle, von "einer unglaublichen Geschichte aus dem Tollhaus SachsenLB". Die Politik müsse den "märchenerzählenden Vorstand der SachsenLB sofort in die Wüste schicken."
Sachsens Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) sagte der WELT: "Die ganze Pressemitteilung der SachsenLB ist sehr merkwürdig." Er reagierte auf eine Passage, in der die Bank behauptet hatte, SachsenLB-Kontrahent Hausbacher sei sein Patenkind. Biedenkopf sagte: "Ich kenne Herrn Hausbacher erst seit rund anderthalb Jahren und bin mit ihm per Sie."
Wegen der Urkundenaffäre hatte Sachsens Finanzminister Horst Metz, der qua Amt auch Verwaltungsratschef der Landesbank ist, von mehreren Führungskräften Ehrenerklärungen verlangt. Neben Vorstandschef Weiss mußten Vorstandsmitglied und MDL-Aufseher Rainer Fuchs und Vorstandsbüroleiter Christian Spieker eine entsprechende Erklärung abgeben.
von Uwe Müller