Karl Nolle, MdL

Agenturen ddp-lsc, 17:28 Uhr, 08.05.2005

«Eine schlechte Rede»

Milbradt erntet für seine Äußerungen zum 60. Jahrestag des Kriegsendes Kritik aus Regierungslager und Opposition
 
Dresden (ddp-lsc). Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat mit seiner Rede zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieg sowohl im Regierungslager als auch in der Opposition für Entrüstung gesorgt. SPD-Wirtschaftsexperte Karl Nolle sagte: «Milbradt hat eine schlechte Rede gehalten, die unhistorisch und parteipolitisch eingefärbt war.» Der Parlamentarische Geschäftsführer der PDS-Fraktion, André Hahn, monierte: «Ein Ministerpräsident darf eine Gedenkveranstaltung nicht mit einem CDU-Parteitag verwechseln.»

Milbradt hatte während der Feierstunde im Landtag unter anderem betont, dass die Menschen in der östlichen Hälfte Europas nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 noch einmal 44 Jahre lang auf Freiheit und Demokratie hätten warten müssen. Der so genannte Antifaschismus habe der DDR als Staatslegitimation gedient und - diesmal im Namen der kommunistischen Ideologie - erneut Unfreiheit, Unterdrückung und Verfolgung gerechtfertigt. Den 9. November 1989 bezeichnete er als den Tag, «an dem vollendet wurde, was am 8. Mai 1945 begonnen worden war».

Diese Darstellung ist nach Ansicht von Nolle nicht korrekt: «Damit hat Milbradt Ursache und Wirkung verwechselt.» Es sei die historische Schuld der Nazis, dass Deutschland geteilt wurde. Ohne diese Teilung hätte es also auch keine friedliche Revolution im Herbst 1989 geben müssen. «Wer den Nationalsozialismus mit dem SED-Regime zusammenrührt, der ist nicht in der Lage, die wirklichen Ursachen des Faschismus zu benennen - und diese lassen sich nicht mit der Geschichte der DDR begründen», unterstrich der SPD-Linke.

Nur die Würde des Tages habe ihn und andere Abgeordnete die Rede widerspruchslos hinnehmen lassen. Für die Koalition habe der Ministerpräsident nicht gesprochen, die Rede sei nach seiner Kenntnis nicht mit der SPD abgestimmt worden. Vernünftig nannte Nolle es, dass mit Erich Iltgen (CDU) der Landtagspräsident das Wort ergriffen habe. Wenn jedoch zusätzlich der Regierungschef als CDU-Landesvorsitzender rede, dann fehle die an diesem Tag gebotene parteipolitische Neutralität.

SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss räumte zwar ein, dass er selbst eine andere Rede als Milbradt gehalten hätte. Es stehe ihm jedoch nicht zu, Festredner zu kritisieren: «Reden zu solchen Feierlichkeiten sind immer eine sehr subjektive Angelegenheit.»

Hahn warf Milbradt mangelnde Sensibilität und Geschichtsverfälschung vor. In mehreren Passagen habe Milbradt «die DDR-Zeit mit Hitler-Faschismus gleichgesetzt», was «völlig daneben, ahistorisch und auch geschichtsverfälschend» sei. Hahn betonte, es sei auch aus seiner Sicht richtig und notwendig, sich mit den Fehlern und Verbrechen auseinanderzusetzen, die es in der DDR gegeben habe. Am 8. Mai aber werde des Tages der Befreiung und des Kriegsendes gedacht, «und da passte die Rede des Ministerpräsidenten nicht hin».

(Quellen: Milbradt im Landtag; Nolle, Hahn und Weiss auf ddp-Anfrage)
Von Tino Moritz

ddp/tmo/mwa
081728 Mai 05