Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 12.05.2005
Biedenkopf wirft Milbradt Mißwirtschaft vor
Landesbank-Affäre: "Erheblicher Schaden für das Land entstanden" - Vertrauliches Schreiben belastet Sachsens Ministerpräsident
Dresden - In einem als "persönlich/vertraulich" deklarierten Brief hat Kurt Biedenkopf schwere Vorwürfe gegen Georg Milbradt (beide CDU) erhoben. Der Ex-Premier wirft seinem Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten eklatantes Versagen bei der Aufsicht der Landesbank Sachsen (SachsenLB) vor. Dem Freistaat sei "erheblicher Schaden" entstanden, kritisiert Biedenkopf: "Dafür, Georg, trägst Du die politische Verantwortung."
Das der WELT vorliegende und nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Schreiben vom 4. März 2005 ist brisant. Erst jüngst hat der Dresdner Landtag einen Untersuchungsausschuß eingesetzt, um Versäumnisse der Politik bei einer Serie von Landesbank-Skandalen aufzuklären. Biedenkopf dürfte als Zeuge geladen werden. Aus seiner schriftlichen Darstellung ergibt sich, daß Milbradt fortgesetzt Hinweise auf Fehlentwicklungen in dem Kreditinstitut ignoriert hat.
Die einzige ostdeutsche Landesbank ist mittlerweile akut in der Existenz gefährdet. Vorstandschef Michael Weiss und sein Kollege Rainer Fuchs mußten Ende Februar zurücktreten, nachdem diese Zeitung eine Urkundenfälschung in dem Bankhaus aufgedeckt hatte. Staatsanwaltschaften in Dresden und Leipzig ermitteln gegen mehrere Verantwortliche. Ihnen werden Delikte wie uneidliche Falschaussage vorgeworfen. Erste Geständnisse liegen vor.
Die Manipulation von Dokumenten führte zudem zur fristlosen Kündigung der Managerin Andrea Braun. Der Lebensgefährtin von SachsenLB-Lenker Weiss war trotz offenkundig mangelnder Qualifikation und ohne ordentliche Ausschreibung die Leitung der Bankentochter Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) anvertraut worden. In der Folgezeit verlor die MDL etliche Gerichtsverfahren gegen ihren Minderheitsgesellschafter, die Tutzinger Leasingfirma IIL.
In dem Streit hatte Biedenkopf zu vermitteln versucht. Vergeblich: Milbradt und sein Finanzminister Horst Metz (CDU), zugleich Verwaltungsratschef der Bank, stellten sich bedingungslos auf die Seite des Trios Weiss, Fuchs und Braun. "Staatsregierung und Finanzminister waren über jeden Vorgang, jeden Prozeß und jedes Urteil unterrichtet", rekapituliert Biedenkopf. "Obwohl sie durch das Oberlandesgericht Dresden Anfang Januar auf den schwerwiegenden Verdacht eines Prozeßbetruges öffentlich hingewiesen wurden, sahen sie noch immer keine Veranlassung, tätig zu werden", heißt es in dem Brief weiter. Vielmehr sei der Führung der Landesbank erneut das Vertrauen ausgesprochen worden.
Beratungsresistent zeigte sich Milbradt auch gegenüber dem Konzernlenker der Herzogenauracher Schaeffler-Gruppe, Jürgen M. Geißinger. Als Chefkontrolleur der MDL hatte der Manager mehrfach versucht, den Ministerpräsidenten in einem persönlichen Gespräch auf Mißstände in der Leasinggesellschaft aufmerksam zu machen.
Milbradt reagierte nicht auf das Angebot. Bei dieser Haltung blieb es auch, als Geißinger ihm am 23. Februar 2005 einen ebenfalls als "persönlich/vertraulich" deklarierten Brief schickte. Ungewöhnlich: Milbradts Staatskanzlei bestätigte nicht einmal den Eingang des Schreibens. Immerhin beschäftigt der von Geißinger geführte Wälzlagerhersteller Schaeffler weltweit 58 000 Mitarbeiter.
von Uwe Müller