Karl Nolle, MdL

DNN, 23.01.2001

Berghofer könnte auch stasibelastet antreten

Erst nach der Wahl Prüfung auf Spitzel-Tätigkeit und DDR-Spitzenfunktionen/Annullierung de
 
DRESDEN. Die Oberbürgermeisterwahl im Juni könnte eine Nullnummer werden, falls der letzte SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer gewänne, der Medienberichten zufolge für die Stasi tätig war. Denn erst nach der Wahl bewertet das Regierungspräsidium als Prüfbehörde die DDR-Vergangenheit jedes Wahlsiegers und klärt so, ob der rechtlich überhaupt OB werden darf oder die Wahl ungültig ist. Vor der Wahl muss nur rein formal eine Erklärung jedes Kandidaten zu Stasi-Mitarbeit und herausgehobenenen DDR-Funktionen in Parteien oder Massenorganisationen vorliegen.
Berghofer selbst, der bislang eine Kandidatur offen gelassen hat, mochte sich nicht äußern. Er lässt dem Vernehmen nach derzeit eine Kandidatur juristisch abklopfen und soll seine eigene Stasi-Akte bei der Gauck-Behörde angefordert haben.
Nach sächsischem Beamtengesetz (der OB ist Wahlbeamter), auf dem die erforderliche Erklärung fußt, darf ins Beamtenverhältnis "grundsätzlich nicht berufen werden", wer für die Stasi tätig war. Diese Festlegung ist nach einem Verfassungsgerichtsurteil aber nicht gleichbedeutend mit einem Amtsverbot für jeden Stasi-Mitarbeiter. Die Rechtsprechung geht dem Innenministerium zufolge von einer Einzelfallprüfung aus. "Dabei kommt es insbesondere auf die Entwicklung nach der Wende an", sagte Ministeriumssprecher Thomas Uslaub den DNN. Eine juristische Prognose im Fall Berghofer lehnte er mit Hinweis auf die Neutralitätspflicht des Ministeriums ab.
Das Sächsische Verfassungsgericht hatte sich 1997 unter anderem mit Verweis auf das Verhalten nach der Wende gegen eine Amtsenthebung des Königsteiner Bürgermeisters Rudolf Maiwald gewandt. Maiwald, seit 1990 im Amt, war 1994 trotz bekannter Stasi-Tätigkeit mit über 65 Prozent der Stimmen wieder gewählt worden. Das Landratsamt Sächsische Schweiz hatte anschließend die Wahl für ungültig erklärt, musste aber drei Jahre später Maiwalds Rückkehr an die Stadtspitze akzeptieren.
Zur Begründung des abschließenden Urteils des Oberverwaltungsgerichts Bautzen 1997 hieß es, dass Maiwald trotz seiner früheren Tätigkeit für die Stasi im Amt des Bürgermeisters nicht untragbar erscheine. In zwei weiteren Berufungsfällen bestätigte das Gericht dagegen die Annullierung der Wahlen.
Maiwald sagt gestern den DNN, auch er habe für die Wahl 1994 die für die Kandidatur notwendige vorgedruckte Erklärung unterschrieben, auf dem der Unterzeichner indirekt versichert, nicht für die Stasi tätig gewesen zu sein. Diese Erklärung habe er aber um eine Formulierung ergänzt, die er mit seinen Rechtsanwälten abgesprochen hatte.
Für den SPD-Spitzenpolitiker und Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee bildet eine Stasi-Tätigkeit Berghofers hingegen ein Ausschlussargument für eine OB-Kandidatur. Falls Berghofer nicht für die Stasi tätig gewesen sein sollte, hätte er nach Tiefensees Ansicht entsprechende Berichte sofort dementieren müssen. Da das nicht geschehen sei, müsse man von ihrer Richtigkeit ausgehen, äußerte sich Tiefensee auf Anfrage der DNN.
Mit Blick auf den Fall Maiwald sagte der Leipziger OB, es gehe ihm nicht um eine juristische Bewertung. Ein Mann mit einem Lebenslauf wie Berghofer dürfe nicht in ein solches Spitzenamt kommen. SPD-Landeschefin Constanze Krehl hatte eine parteiübergreifende Kandidatur Berghofers jüngst für "vorstellbar" gehalten. Da sei ihr die Stasi-Mitarbeit wohl noch nicht bekannt gewesen, sagte Tiefensee dazu.
Auch die neunköpfige SPD-Stadtratsfraktion spricht sich deutlich gegen den Ex-OB aus: "Ein Zurück zu Berghofer wird es mit unseren Stimmen nicht geben." Man wolle Demokratie und Offenheit und weder alte Seilschaften noch westliches Beziehungsgeflecht.
(Stefan Alberti)