Karl Nolle, MdL
Plenum des Sächsischen Landtages, 21. Sitzung, 23.06.2005
Wir brauchen eine Kultur der Freiheit und der Verantwortung, die für unsere soziale Demokratie unerlässlich ist.
Die Frage ist , ob die Menschen Subjekte im Mittelpunkt von Wirtschaft sind und sein können oder Objekte in der Los-Trommel eines großen Wirtschaftsspiels ?
Rede des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Karl Nolle, zur aktuellen Debatte: "Neue Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens durch größere Freiräume, Sonderregelungen und Experimentierklauseln im Rahmen der Bundesgesetzgebung"
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident, meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen,
Wir brauchen eine Kultur der Freiheit und der Verantwortung, die für unsere soziale Demokratie unerlässlich ist.
Was hier alles aufgetischt wird unter dem Vorzeichen von Freiräumen und Experimentierklauseln ist nicht modern sondern der Modder des Frühkapitalismus.
Ich habe noch nie - in dreißig Jahren Praxis als Unternehmer - jemanden eingestellt, das waren hunderte, und dabei gleich überlegt , wie ich ihn wieder loswerden kann. Es ist doch lebensfremd und üble Demagogie etwas anderes zu sagen. Die Behauptung, das Schleifen von Arbeitnehmerrechten sei der letzte Kick, den unsere Wirtschaft noch benötige, um wettbewerbsfähig zu werden, ist ein Hohn auf die Idee von Demokratie und das sage ich Ihnen als Unternehmer, ein klein karierter Verzicht auf die Optimierung betrieblicher und wirtschaftlicher Effizienz, deren Kern vor allem motivierte, zufriedene Mitarbeiter sind.
Anrede
die Regeln die Jahrzehnte die Erfolgsbedingungen für die deutsche Wirtschaft waren, sollen nun zu Experimentierklauseln werden? Soziale Sicherheit zu einer Soziallotterie? Nein - Im Kern geht es doch um die Frage:
Ob die Menschen Subjekte im Mittelpunkt von Wirtschaft sind und sein können oder Objekte in der Los-Trommel eines großen Wirtschaftsspiels ?
Mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, guter Infrastruktur, qualifizierten und motivierten Arbeitnehmern, tüchtigen und erfolgreichen Unternehmern, mit guter Bildung, die noch besser werden muss, mit innovativen Forschungseinrichtungen und mit hoher Lebensqualität hat unser Land, hat sich die Bundesrepublik, einen hervorragenden Platz im Vergleich zu anderen Ländern erarbeitet.
Das hat nicht zuletzt zu tun mit dem gutem Zusammenhalt in Gesellschaft und Wirtschaft. Das hat auch zu tun mit sozialen Rechten, die sozialen Frieden sichern helfen, eben mit Sozialer Marktwirtschaft.
Die Idee der Sozialen Marktwirtschaft ist ein Gemeinschaftsprodukt von Konservativen, von katholischer Soziallehre und der Sozialdemokratie.
Ihre Wurzeln liegen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals ist die Einsicht gewachsen, dass wirtschaftliche Kraft nicht durch plumpe Ausbeutung, sondern nur im sozialen Zusammenhalt wachsen kann und muss.
Soziale Marktwirtschaft heißt:
Wohlstand für alle.
Nicht als Träumerei oder Heilsversprechen, aber als Ziel für das es sich zu streiten lohnt. Alle sollen ein gerechtes, möglichst großes Stück vom Kuchen der gemeinsam erwirtschafteten Werte abbekommen. Dafür muss der wirtschaftliche Erfolg möglichst groß sein.
Soziale Marktwirtschaft heißt: Arbeit
Denn nur Arbeit sichert Lebensunterhalt.
Arbeit ist Selbstbestätigung und manchmal auch Selbstverwirklichung. Sie muß zu fairen Bedingungen und zu fairen Löhnen getan werden können.
"Vorfahrt für Arbeit". oder: "Sozial ist was Arbeit schafft" - Dazu sage ich, gut gemeint, aber es trifft nicht den Kern.
Es kann in Wirklichkeit doch nur um Vorfahrt für -menschenwürdige Arbeit gehen!
Und es geht in unserer Gesellschaft, davon bin ich zutiefst überzeugt, vor allem um Würde, ein hoher Wert, vielleicht der höchste.
"Vorfahrt für Arbeit" - Ja, die gerecht bezahlt wird und bei der lange erstrittene und bewährte Arbeitnehmerrechte nicht ausgehebelt werden.
"Vorfahrt für Arbeit" - das darf keine soziale Beruhigungsformel für die Rechtfertigung von Niedrigstlöhnen und die Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten sein.
Die neoliberalen Ideologen fordern den schlanken Staat und wären doch nicht böse, wenn er verhungerte.
Ja, sie legen es bewußt darauf an und leider haben sie in dieser Hinsicht schon einiges in den letzten Jahren erreicht.
Unsere Diskussion hat viel mit etwas offensichtlich ganz antiquiertem zu tun - mit Moral und Unternehmensethik.
Ich bin mir sicher, dass auch viele meiner Unternehmerkollegen das so sehen wie ich. Und dass ganz viele auch so handeln.
Wenn die Verantwortlichen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu den Prinzipien Sozialer Marktwirtschaft nicht nur in Sonntagsreden und in Wahlkampfzeiten stehen, sind die Chancen gut für unser Land, gut für unsere Menschen, gut für unsere Unternehmen - und da bin ich ganz konservativ: gut für unsere menschliche Würde.
Ich danke Ihnen.
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