Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 10.07.2005
Woba-Verkauf hilft nicht
Stefan Rössel interviewt den Fraktionsvorsitzenden der SPD
Wie ist die SPD in Dresden vor der Neuwahl des Bundestags aufgestellt?
Es gibt zurzeit sehr viel Bewegung in der Politik. Die Umfragewerte ändern sich von Woche zu Woche. Ich glaube, dass wir eine Chance haben, hier in Dresden mit unserer Politik seit der letzten Wahl zu überzeugen und ein Direktmandat zu holen. Marlies Volkmer hat sehr gute Arbeit für Dresden und in der Gesundheits- und Sozialpolitik geleistet. Die angekündigten Hartz-IV-Verbesserungen hat sie schon lange gefordert. Die Landespartei hat das honoriert: Platz 2 der Landesliste schien für Dresdner Kandidaten bisher unerreichbar; Marlies Volkmer hat ihn bekommen.
Sie rechnen nicht mit Einbußen?
Da sollte man jetzt keine Prognosen abgeben. Meinem Eindruck nach haben die Leute seit dem Neuwahlprojekt angefangen, zu überlegen, was sie an der SPD und der derzeitigen Bundesregierung haben. Die Alternativen kommen klarer auf den Tisch, und man sieht, dass die Union schlechtere und sozial unausgewogene Pläne hat.
Wie sieht es mit den Mitgliedern aus? Rennen Ihnen viele weg zur Wahlalternative?
Per Saldo haben wir in diesem Jahr 28 mehr Eintritte als Abgänge. Die Dresdner SPD zählt 610 Mitglieder. Zur WASG ist fast keiner gegangen. Und durch deren Zusammenarbeit mit der PDS wird das auch noch gestoppt. Man sieht jetzt klarer, mit wem man sich dort zusammentut. Es treffen sich da zwei sehr konservative Kräfte. Die PDS gaukelt uns vor, dass die soziale Sicherheit der DDR auch zu den Bedingungen der Marktwirtschaft zu haben sein könnte. Letztlich suggeriert auch die WASG, es könne mit den etwas betulichen Verhältnissen der 1960er bis 90er Jahre weitergehen. Aber das gehört eben auf den Prüfstand. Nach Umfragen können sie sich trotzdem erfolgreich als Alternative anbieten. In den politischen Diskussionen wird sich noch zeigen, dass diese Kräfte genauso wenig wie die Union in der Lage sind, mehr für Arbeitsplätze zu tun, als das die SPD-Politik getan hat und zu tun verspricht. In diesem zentralen Punkt haben wir eine gewisse Ratlosigkeit, die alle politischen Kräfte verbindet. Die SPD geht damit am ehrlichsten und gerechtesten um.
Welchen Einfluss hat die schwarz-rote Landeskoalition auf die Dresdner SPD? Werden Sie gebremst?
Nein, wir können unsere Politik hier klar nach den Interessen der Landeshauptstadt ausrichten. Da gibt es kein Hineinregieren. Die Konfliktfelder, die wir zurzeit mit dem Freistaat haben, liegen übrigens im Wesentlichen in solchen Bereichen, in denen CDU-Minister die Verantwortung tragen.
Beim Thema Staatsoperette haben Sie es aber mit einer SPD-Ministerin zu tun. Was spricht eigentlich gegen eine Kooperation mit dem Staatsschauspiel?
Wir wollen die Operette erhalten und ins Stadtzentrum holen. Wir wollen sie auch in einem eigenen Gebäude am Wiener Platz ansiedeln, wenn das irgendwie finanziell zu verantworten ist. Mit den derzeitigen Plänen des OB ist das aber nicht der Fall. Die Kooperation mit dem Staatsschauspiel wäre nach allem, was ich bisher weiß, im Ergebnis für Dresden noch teurer. Das Land mag seine Interessen haben. Aber Kunstministerin Barbara Ludwig wird jedes Verständnis dafür haben und haben müssen, dass wir die Interessen der Stadt in den Vordergrund stellen. In der Operette sind wir Herr im Haus.
Was schlagen Sie vor?
Man muss zusätzliche Geldquellen erschließen. Eine langfristige Bindung der Stadt in den jetzigen Größenordnungen wird nicht möglich sein.
Da treffen Sie sich mit der CDU, die ebenfalls vor allem die Zuschüsse senken will.
In der Tat. Aber vielleicht sind wir ja näher dran, eine Lösung zu präsentieren.
Das aktuellste Thema zu Haushaltsfragen ist der geplante Verkauf der Woba. Zunächst wollte die Stadt eine Sperrminorität behalten. Was halten Sie von der kompletten Veräußerung, die jetzt auf der Tagesordnung steht?
Das Gerede von der Sperrminorität ist Augenwischerei. Mehrheitsverkauf oder nicht: das ist die Frage. Hier geht es um die Gestaltungsmöglichkeiten, die wir in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht mit der Woba haben. Es geht auch um den finanziellen Handlungsspielraum, den ein solches Unternehmen der Stadt dauerhaft bietet. Deshalb werden wir uns dem Hundert-Prozent-Verkauf nicht anschließen. Wir werden aber mit dafür sorgen, dass von der Stadt wenigstens möglichst günstige Mindestbedingungen für den Verkauf gesetzt werden. Wir wollen politisch verhindern, dass CDU und PDS auch diese Gestaltungsmöglichkeit auf dem Altar der Erlösmaximierung opfern.
Welche anderen Wege sehen Sie, um den städtischen Haushalt zu konsolidieren?
Wir haben immer gesagt, dass eine Haushaltskonsolidierung nicht durch Privatisierung zu schaffen ist. Wir brauchen dazu vielmehr eine durchgehende Aufgabenkritik: Wir müssen also Punkt für Punkt prüfen, was wir als Stadt leisten wollen. Diese Notwendigkeit würde durch den Woba-Verkauf nur übertüncht.
Letztlich geht es also um Personaleinsparungen?
Ich nenne ein Beispiel: Müssen wir als Stadt Wochenmärkte betreiben, wenn die Händler deren Erhalt selbst garantieren und der Stadt eine Konzessionsabgabe mindestens in der Höhe der bisherigen Überschüsse zahlen? Mit der gegenwärtigen Altersstruktur sind wir in der Lage, in den nächsten Jahren weiter einen sozialverträglichen Stellenabbau darstellen zu können. Diese Chance sollten wir nutzen.
Wo wollen Sie mit der SPD-Fraktion in der nächsten Zeit noch aktiv werden?
Die Idee, einen einzigen gemeinsamen Schulbezirk für Dresden festzulegen, ist so gut, dass sie kaum aufzuhalten sein wird. Wir werden das noch einmal vorantreiben. Bei den Kindertagesstätten werden wir weiter darauf achten, dass der freie Zugang auch verwirklicht wird. Ein wichtiges Thema für uns ist die Stärkung der kommunalen Unternehmen. Die Technischen Werke brauchen eine schlagkräftige neue Führung, und der Drewag-Rückkauf muss langfristig vorbereitet werden. Außerdem geht es uns weiter um eine aktive Begleitung der Entwicklung des Arbeitsmarkts.
Läuft eigentlich bei der Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft schon alles rund? Fehlt da nicht noch eine Menge Personal?
Wir haben wesentlich daran mitgewirkt, dass es in Dresden zu einem guten Instrumentarium gekommen ist mit der Arge und der Vertretung der Beteiligten in ihrem Beirat. Jetzt geht es an die Detailarbeit. Das System der verstärkten Betreuung der Betroffenen kann zur Zeit noch nicht umgesetzt werden. Da sind noch große Qualifikationsaufgaben zu leisten. Das ist bei den Verantwortlichen in guten Händen, aber sie brauchen auch den politischen Rückenwind.
Wie bereiten Sie sich auf die künftigen Wahlen vor? Werden Sie einen eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten stellen?
Sicher ist, dass die OB-Wahl spätestens im Jahr 2008 stattfindet. Die Partei wird rechtzeitig ihre Entscheidung treffen.
Der jetzige Oberbürgermeister steckt in einer Krise - nämlich unter Anklage. Der Stadtrat geht trotzdem sehr vorsichtig mit ihm um. Woher kommt Ihre Zurückhaltung?
Wir haben letztlich keine neuen Erkenntnisse seit dem Beginn der Affäre. Die erhobenen Vorwürfe wurden leider mehrfach bestätigt, wenn auch nicht endgültig. Der OB steht in der Verantwortung, und er hat sich dafür entschieden, im Amt zu bleiben. Uns stehen nicht ohne weiteres die Mittel zur Verfügung, das anders zu regeln. Es wird wichtig sein, dass sich der Stadtrat möglichst einheitlich positioniert. Darüber befinden wir uns auch in Gesprächen.