Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 30.01.2001
Roßberg spielt Taube auf dem Dach
Bürgerinitiative bereitet unabhängige OB-Kandidatur des Ex-Dezernenten vor
Bürgerinitiative und Opposition bereiten eine OB-Kandidatur von Ex-Baubürgermeister Ingolf Roßberg vor. Der FDP-Mann soll nicht für seine Partei, sondern als unabhängiger Bündniskandidat antreten. Damit würde er die Liberalen, die mit der CDU im Boot sitzen, vor die Zerreißprobe stellen.
Als Ingolf Roßberg beim OB-Neujahrsempfang auftauchte und Visitenkarten mit seiner neuen Wuppertaler Adresse verteilte, glaubten viele an einen Zufall. Inzwischen deutet alles darauf hin, dass der 39-Jährige Oberbürgermeister von Dresden werden will.
PDS steckt in der Zwickmühle
Zwar hat er sich offiziell noch zwei Wochen Bedenkzeit ausgebeten. Doch hinter den Kulissen bereiten Bürgerinitiative und Opposition mangels anderer Interessenten schon eine unabhängige Kandidatur des FDP-Manns vor. "Bis Mittwoch erarbeiten die Bündnispartner ein programmatisches Eckpunkte-Papier", sagt Christian Bahnsen von der Bürgerinitiative "OB für Dresden". Bis Freitag soll Roßberg unterschreiben. Die Zeit drängt. Denn Sonnabend sind die PDS-Delegierten zum Thema OB-Wahl geladen.
Während sich die SPD freut, weil sie nach Karl Nolle nichts Besseres bieten kann und um eine Bekenntnis zu Wolfgang Berghofer herumkäme, hat vor allem die PDS Bauchschmerzen mit Roßberg. Sie und Teile der Grünen trauen seiner Unabhängigkeit nicht über den Weg, weil seine Partei mit der CDU bürgerliche Koalitionspolitik vertritt. "Wer garantiert uns denn, dass die FDP das Wahlbündnis nicht instrumentalisiert", sorgt sich PDS-Stadträtin Christine Ostrowski. Außerdem wisse niemand, welche Chancen Roßberg habe. Ostrowski: "Es wäre eine Blamage, wenn er weniger Stimmen bekommt als die drei Linksparteien zusammen."
Die PDS steckt mächtig in der Zwickmühle: Sie kann Roßberg schlecht ablehnen, weil sie dann als Verhinderer des Wahlbündnisses dastehen würde. Andererseits dürfte es der Partei mit fast 25 Prozent Wählerstimmen schwer fallen, ihre Mitglieder für die Unterstützung einer "3-Komma-und-Partei" zu erwärmen. "Wir werden im Eckpunkte-Papier keine FDP-, sondern nur klare Oppositions-Positionen zulassen", kündigt PDS-Chef Michael Schrader an. Aussagen zum Verkehr (wie zwei statt vier Spuren auf der Königsbrücker Straße) sollen darin genauso enthalten sein wie ein Bekenntnis zu einer niedrigeren Hürde für Bürgerbegehren.
Die FDP indes stellen die Ambitionen ihres Mitglieds Roßbergs vor die Zerreißprobe. Begnügen sich die Liberalen mit dem Spatzen in der Hand - sprich einem Dezernenten und Einfluss durch die Koalition - oder greifen sie nach der Taube auf dem Dach - einem eigenen OB, den man ohne Oppositionsbündnis in Dresden nie stellen könnte? "Ich würde Roßberg nicht unterstützen, wenn die PDS mit im Boot sitzt", sagt FDP-Kreischef Arno Schmidt. FDP-Fraktionschef Jan Mücke will seine Entscheidung von den programmatischen Zielen Roßbergs abhängig machen. "Ein Roll-Back in der Verkehrspolitik wird es mit mir nicht geben", stellt der Autofan klar. Roßberg ist Bahnfahrer.
Im April will die FDP entscheiden, ob sie einen eigenen OB-Kandidaten ins Rennen schickt. Landeschef Holger Zastrow hatte dafür plädiert, um für die Liberalen Flagge zu zeigen. "Ich könnte mir Jan Mücke oder Torsten Herbst vorstellen", sagt er. Damit allerdings würde Roßberg seiner eigenen Partei Konkurrenz machen. "Ein Parteiausschluss-Grund", sagt Zastrow.
Furcht vor Image-Verlust
Der Landeschef fürchtet nun, dass die FDP in das "Kasperle-Theater der Opposition" hineingezogen wird und einen Image-Verlust erleidet. Mit Mitglied Rainer Ortleb, der öffentlich für Berghofer sei, habe man genug Ärger. "Ich traue den Linken nicht zu, dass sie an einem Strang ziehen", sagt er. Insofern sei er für den Spatzen in der Hand.
In Wuppertal wappnet man sich unterdessen schon auf ein mögliches Ausscheiden Roßbergs, der dort Beigeordneter für Stadtentwicklung ist. Oberbürgermeister Hans Kremendahl (SPD) spricht in den höchsten Tönen von ihm. "Wir würden sehr bedauern, ihn zu verlieren", sagt er. "Aber wir legen ihm auch keine Steine in den Weg."
(Von Katrin Saft)