Karl Nolle, MdL
Mitteldeutsche Zeitung, 09.01.2001
Dresdner Oberbürgermeister / Berghofers Flirt an der Elbe
Ehemaliger Amtsinhaber als SPD-Kandidat im Gespräch - Rückkehr nach elf Jahren
Dresden/MZ. In Dresden hat offensichtlich ein "virtueller Kandidat" beste Aussichten, neuer Oberbürgermeister zu werden. Der "virtuelle Kandidat", wie er sich selbst bezeichnet, das "Phantom", wie ihn andere nennen, ist Wolfgang Berghofer, der von 1986 bis 1990 schon einmal Oberbürgermeister in der Elbestadt war, damals noch mit SED-Parteiabzeichen am Revers. Zwar hat Berghofer seine Kandidatur für die am 10. Juni stattfindenden Oberbürgermeisterwahlen noch nicht offiziell erklärt, doch die Chancen für den 57-Jährigen sind weiter gestiegen, nachdem in der vergangenen Woche der designierte Kandidat der Dresdner SPD, Karl Nolle, das Handtuch geworfen hat.
Plan ist nicht neu
Der Plan, Berghofer wieder auf den Stuhl des Oberbürgermeisters zu hieven, ist nicht neu. Dresden wird von dem CDU-Mann Herbert Wagner regiert. Seine größte Stärke ist die Schwäche seiner politischen Gegner, die, in sich zerstritten, auf keine geeignete personelle Alternative verweisen können. Nunmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur ein Kandidat, der von SPD, PDS und Bündnisgrünen gemeinsam getragen wird, Wagner im Amt ablösen kann. Deshalb war schon im vergangenen Frühjahr in der Dresdner SPD der Plan ausgeheckt worden, Berghofer zu fördern. Die Parteibasis reagierte mit einem Aufschrei. Die darauf folgende monatelange Suche nach einem geeigneten Kandidaten blieb ohne Erfolg.
In ihrer Not hob der SPD-Stadtausschuss den aus Hannover stammenden Dresdner Druckereibesitzer und Landtagsabgeordneten Karl Nolle auf den Schild. PDS und Bündnisgrüne reagierten wegen der absehbaren Erfolglosigkeit des Kandidaten düpiert und verweigerten ihre Unterstützung. Daraufhin gab Nolle auf, die für vergangenes Wochenende anberaumte offizielle Kandidatenkür wurde abgesagt. Selbst Landesvorsitzende Constanze Krehl (SPD), der eine Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt ohne eigenen SPD-Kandidaten als unvorstellbar erschien, will eine Unterstützung Berghofers wegen dessen Erfolgsaussichten nun nicht mehr ausschließen, räumt aber ein, dass dieser Schritt "eine Menge Konflikte in der Partei mit sich bringt".
Verlockende Perspektive
Die Erfolgsaussichten Berghofers lassen sich beziffern. Eine Studie der TU Dresden billigt Berghofer beim direkten Aufeinandertreffen mit Amtsinhaber Wagner 34 Prozent zu, Wagner hingegen nur 30 Prozent. Für Berghofer dürfte bei solcher Perspektive die Verlockung, in Dresden als Kandidat anzutreten, unwiderstehlich erscheinen. Der Ex-Oberbürgermeister fühlt sich durch die Geschichte ungerecht behandelt.
Dem kürzlich erschienenen Tagebuch von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist zu entnehmen, dass Berghofer 1990 offensichtlich wegen seines Rufs als SED-Reformer damit rechnete, zunächst Oberbürgermeister zu bleiben, um dann Ministerpräsident in Sachsen zu werden. Das Urteil Biedenkopfs über Berghofer fällt in jener Zeit ausnehmend freundlich aus, der ihn "persönlich sympathisch" findet und ihm großes politisches Talent bescheinigt.
Doch aus der Karriere des zum Wirtschaftsmann konvertierten Sozialisten wurde nichts. Wegen Wahlfälschung verurteilt, besorgte er in Dresden nach 1990 die Immobiliengeschäfte der Häussler-Gruppe. Derzeit schlägt er sich, in Berlin wohnend, als mehr oder weniger erfolgreicher Unternehmensberater durch. Durch die Straßen Dresdens flaniert Berghofer noch immer gern, stets erfreut, wenn ihn Dresdner erkennen.
"Keine linke Politik"
Vor allem die PDS dürfte der Grund sein, der Berghofer zögern lässt, seine Kandidatur zu erklären, denn er will offensichtlich alles vermeiden, um als Mann der Sozialisten zu erscheinen. Er selbst, der sich gern seiner Bekanntschaft zu VW-Chef Ferdinand Piech und anderen Wirtschaftsbossen brüstet, hat bereits angedeutet, keine linke Politik machen zu wollen. Das sorgt an der PDS-Basis für Verstimmung. Dennoch, nach Krehl hat auch PDS-Landeschef Peter Porsch Unterstützung signalisiert. Denkbar ist, dass eine unabhängige Bürgerinitiative Berghofer auf den Schild hebt. Ex-Bundesminister Rainer Ortleb will dabei helfen. Berghofer, sagt Ortleb, sei der "ehrlichste Wahlfälscher" den er kenne.
(von Ralf Hübner)