Karl Nolle, MdL
Agenturen ddp-lsc, 10:19 Uhr, 27.08.2005
Zeitung: Staatsanwaltschaft fragt Telefondaten von Journalisten ab
Dresden (ddp-lsc). Bei der Suche nach einer «undichten Stelle» im Umfeld der sächsischen Antikorruptionseinheit INES geht die Staatsanwaltschaft Chemnitz offenbar mit höchst fragwürdigen Mitteln vor. Die «Dresdner Neuesten Nachrichten» (Samstagausgabe) berufen sich auf Informationen, wonach die Ermittler Telefonverbindungsdaten eines Journalisten abgefragt haben. Dabei sollen dem Blatt zufolge sowohl die dienstlichen als auch die privaten Anschlüsse und Mobiltelefone des Reporters ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten sein.
Dieser hatte Ende Mai über eine Hausdurchsuchung bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) berichtet. Von der Razzia war eine Dresdner Boulevardzeitung offenkundig vorab informiert worden. Sie berichtete damals in Wort und Bild exklusiv von dem überraschenden Besuch der Fahnder in Schommers Privathaus, der daraufhin von einer «Rufmordkampagne» gesprochen hatte und in seiner Kritik von einer Reihe von CDU-Politikern unterstützt worden war. INES selbst leitete wegen der Umstände der Hausdurchsuchung ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, das an die Chemnitzer Staatsanwaltschaft abgegeben wurde.
Dem Bericht zufolge sollen sich in den Akten der Chemnitzer Ermittler detaillierte Verbindungsnachweise des Journalisten befinden. Dies wäre ein glatter Verstoß gegen geltende Gesetze, hieß es weiter. Journalisten müssten Informantenschutz gewährleisten können, zudem dürften Telefondaten nach einem Urteil des Bundesgerichtshof nur dann erhoben werden, wenn der Verdacht eines Kapitalverbrechens bestehe.
Der Staatsanwalt Andreas Ball, der mit dem Verfahren gegen Schommer befasst war, wurde inzwischen - offenbar gegen seinen Willen - von INES in die Dresdner Staatsanwaltschaft versetzt. Wie die ebenfalls in Dresden erscheinende «Sächsische Zeitung» (Samstagausgabe) berichtet, wurden von den Ermittlern auch Balls Telefonkontakte und private Bank-Konten überprüft, um ihm möglicherweise korruptes Verhalten nachweisen zu können. Dabei stehe inzwischen fest, dass die «undichte Stelle» nicht unbedingt bei INES selbst liegen müsse, sondern bei einer Vielzahl von Behörden zu finden sein könne.
So habe beispielsweise das Landeskriminalamt einen Tag vor der Razzia bei Schommer dem Innenministerium die Aktion schriftlich angekündigt. Der Brief könnte durch Dutzende Hände gegangen sein. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) gehöre deshalb zu den Unterzeichnern einer «Ehrenerklärung», in der inzwischen Dutzende von Behördenmitarbeitern hätten versichern müssen, dass sie nichts verraten hätten, schreibt das Blatt weiter.
ddp/tmo/muc
271019 Aug 05