Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 29.08.2005

Empörung bei Juristen und Journalisten-Verband

 
Dresden. Mit Empörung ist in Dresden auf einen DNN-Bericht über die Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft Chemnitz reagiert worden. Gleichzeitig warfen Kritiker die Frage nach den politisch Verantwortlichen auf. Wie die DNN am Wochenende berichtete, hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz bei der Suche nach einer "undichten Stelle" im Umfeld der Antikorruptionseinheit "INES" höchst fragwürdige Wege beschritten. Die Ermittler fragten unter anderem Telefonverbindungsdaten eines Journalisten ab. Dabei sind offenbar sowohl die dienstlichen als auch die privaten Anschlüsse und das Mobiltelefon des Reporters ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Ausgangspunkt war die Berichterstattung einer Dresdner Boulevard-Zeitung in Wort und Bild über eine Durchsuchung des Privathauses von Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer im Mai in Ullersdorf.

Nach einem Aufschrei der Empörung aus den Reihen der CDU leitete die Staatsanwaltschaft Chemnitz ein Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen ein. Beschuldigter war unter anderem der Dresdner INES-Staatsanwalt Andreas Ball. Vor wenigen Tagen musste er gegen seinen Willen die Antikorruptionseinheit verlassen. Er wurde in die Staatsanwaltschaft Dresden versetzt.

Michael Sturm, Direktkandidat der SPD für den Bundestag und Fachanwalt für Strafrecht, forderte gestern mit Blick auf die Abfragen der Telefondaten sogar den Rücktritt des Justizministers. Geert Mackenroth (CDU) sei von dem Vorgang informiert gewesen. Das Ministerium haben ihn auch geprüft. "Damit trägt er die volle politische Verantwortung", sagte Sturm. Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei "rechtswidrig" und "ein Anschlag auf die Demokratie". Derartige Eingriffe setzten eine erhebliche Straftat voraus. Dazu gehöre der "Verrat von Dienstgeheimnissen" nicht. "In welcher Bananenrepublik leben wir denn, wenn nicht mal der Justizminister sich an die Gesetze hält."

Dass Journalisten "ausspioniert" werden, die ihrer Arbeit nachgehen, "ist ein eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit", erklärte der Deutsche Journalistenverband (DJV) Sachsen. Journalisten müssen nicht nur den Schutz ihrer Informanten gewährleisten können, sie müssen auch selbst geschützt sein, um ihre Aufgabe in dem Gefüge der Informationsgesellschaft nachgehen zu können.

Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft hat ihr Vorgehen gestern verteidigt. Um die nötigen Beweismittel zu erlangen, seien auf richterlichen Beschluss die Telefonverbindungsdaten eines Journalisten erfragt worden, teilte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel mit. Das Telefon des Journalisten, der nicht Beschuldigter, sondern Zeuge sei, wurde laut Vogel nicht abgehört. Die Abfrage der Daten sei intensiv auf alle strafprozessrechtlichen und grundgesetzlichen Aspekte hin geprüft worden. In Anbetracht der Schwere des Tatverdachts sei das angemessen gewesen.
I.P.