Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 18:42 Uhr, 29.08.2005

Justiz erforscht Journalisten-Kontakte - Debatte um Pressefreiheit

 
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Justiz ist wegen der Ausforschung von Journalisten-Kontakten heftig in die Kritik geraten. Die durch Medienberichte bekannt gewordene Abfrage von Telefonkontakten eines Journalisten der «Dresdner Morgenpost» im Zuge von Ermittlungen wegen Geheimnisverrats lösten am Montag eine Kontroverse aus. Justizminister und Staatsanwaltschaft verteidigten die Datenabfrage als notwendig und rechtlich korrekt. Dagegen sprachen Parteien, Verbände und das betroffene Verlagshaus von einem massiven Eingriff in die Pressefreiheit. Die eigentlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen einen inzwischen von der sächsischen Antikorruptionseinheit INES versetzten Staatsanwalt.

Von einer Bespitzelung oder einem Angriff auf die Pressefreiheit könne nicht die Rede sein, sagte Justizminister Geert Mackenroth (CDU) auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Dresden. Nach Angaben des Ministers hatte die Staatsanwaltschaft Chemnitz die Datenabfrage bei der «notwendigen Suche nach einem Leck bei INES» veranlasst. Dort sei unter anderem der Termin einer Durchsuchung beim früheren CDU-Wirtschaftsminister Kajo Schommer «durchgestochen worden», sagte der Minister.

Deshalb wird gegen Staatsanwalt Andreas Ball wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen und versuchter Strafvereitelung im Amt ermittelt. Es wurden sowohl die Telefondaten des Staatsanwaltes als auch des Journalisten abgefragt, der bei der Razzia der Antikorruptionseinheit im Mai vor Ort war. Die Datenabfrage sei durch einen Passus in der Strafprozessordnung gedeckt, der Journalisten keine Sonderrechte einräume. Das Ministerium habe nicht in die Ermittlungen eingegriffen, betonte der Minister mehrfach: «Wir grätschen dort nicht hinein.» Er räumte ein, dass die Pressefreiheit mit dem Vorgang berührt werde. Man habe zwischen Pressefreiheit und notwendigen Ermittlungen genau abgewogen.

«Es handelt sich um einen Fall, wo die Presse behindert wird, wo elementar in die Rechte der Presse eingegriffen wird», sagte der Geschäftsführer des Dresdner Druck- und Verlagshauses, Mario Frank, in dessen Haus die «Dresdner Morgenpost» erscheint. Der betroffene Journalist sei nicht Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens, betonte der Geschäftsführer. Das Verlagshaus werde alle rechtlichen Schritte ergreifen, um sich gegen die Verletzung der Pressefreiheit zu wehren.

Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) protestierte gegen das Ausspionieren eines Kollegen. Die Landespressekonferenz Sachsen nannte die Datenabfrage «einen völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die schutzwürdigen Rechte der Medien». Die gesetzlichen Rahmenbedingungen würden offenbar gezielt ausgenutzt, «um damit direkt und indirekt in die Arbeit aller Journalisten einzugreifen.»

Vertreter von Oppositionsparteien mutmaßten zudem erneut, die Versetzung von Staatsanwalt Ball habe eher politische als juristische Hintergründe. Ball war in Dresden mit herausgehobenen Korruptionsfällen befasst. So meinte der SPD-Abgeordnete Karl Nolle, dass mit Balls Versetzung den Ermittlungen zum Millionenbetrug mit EU-Fördermitteln im Wirtschaftsministerium bewusst der erfahrenste Kopf genommen worden sei. Nolle sprach von einem Justizskandal und sieht «genügend Stoff für einen weiteren Untersuchungsausschuss des Landtags».

Die PDS-Fraktion erwägt, eine Sondersitzung des Landtags zu beantragen. Auch die CDU-Fraktion sprach von Aufklärungsbedarf in der sächsischen Justiz. «Mich beschleicht das Gefühl, dass der Staatsminister die Anwürfe aussitzen will», erklärte der Grünen- Abgeordnete Johannes Lichdi und kündigte parlamentarische Anfragen an.

dpa st yysn ee
291842 Aug 05