Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.08.2005

Total erfasst

Affäre. Justizminister Geert Mackenroth (CDU) verteidigt die massive Ausforschung von Journalistenkontakten.
 
Kein Wort des Bedauerns, kein Wort der Kritik. Stattdessen verteidigte ein sichtlich angespannter Justizminister gestern entschieden die massive Ausspähung von Telefondaten eines Journalisten und eines Fahnders der Antikorruptionseinheit Ines.

„Es hat keinen Angriff auf die Pressefreiheit gegeben“, sagteGeert Mackenroth (CDU) auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz trotzig. „Es gibt hier kein Journalisten-Privileg“, fügte er mit hochrotem Kopf hinzu. Und: Er habe auf die Entscheidungen, sowohl die Telefon-Kontaktdaten eines Reporters der „Dresdner Morgenpost“ als auch die des Staatsanwalts der sächsischen Antikorruptionseinheit Ines, Andreas Ball, zu erfassen, „keinen Einfluss genommen“. „Wir grätschen da nicht rein.“

Auf der Suche nach dem Leck

Dass seine Staatsanwälte dagegen über Monate hinweg regelrechte Turnübungen unternahmen, um ein „Leck“ bei Ines zu finden, sei ihm durchaus bekannt gewesen, räumte Mackenroth ein. Der Termin für eine Mitte April beschlossene und am 24. Mai 2005 durchgeführte Durchsuchungsaktion bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) im Zuge eines Ines-Ermittlungsverfahrens gegen den Politiker war an die „Dresdner Morgenpost“ durchgesickert.

Grund einzugreifen sah der Justizminister jedoch auch dann nicht, als die Staatsanwaltschaft Chemnitz nach und nach auch die gesamte Ines-Truppe, darunter 29 Mitarbeiter des Landeskriminalamts, heimlich ausspähen wollte. „Ich habe bisher nicht von meinem Weisungsrecht Gebrauch gemacht und werde das auch weiterhin nicht tun“, sagte der Hüter der sächsischen Justiz.

Die „undichte Stelle“, die das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ausgelöst hatte, sei kein Einzelfall, gestand er ein. Und darum sind auch die Ermittlungen gegen die eigenen Ermittler offenbar in Sachsen gar nichts Ungewöhnliches. Zwei weitere Verfahren wegen Geheimnisverrats im Umfeld der Ines-Ermittlungen laufen gegen Unbekannt, erläuterte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer. „Wir werden so lange nicht aufgeben, bis wir die Lücke geschlossen haben“, warnte Schwürzer sogleich die anwesende Presse. Der Verrat von Dienstgeheimnissen sei schließlich keine Lappalie.

Der Fall des „Morgenpost“-Reporters sei der bisher erste in Sachsen, bei dem die Staatsanwaltschaft einen Beschluss zur Abfrage von Telefondaten eines Journalisten erwirkt habe, sagte Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm.

Hastig hatten sich die emsigen Ermittler nach der umfassenden SZ-Berichterstattung vom Montag ein Bild gemacht. Und dabei verwickelten sie sich auch in Widersprüche. So bestritt Schwürzer, dass auch die Geo-Koordinaten des Morgenpost-Reporters abgefragt worden seien. Doch die Auskunft über Längen- und Breitengrade, wann sich der Journalist wo aufgehalten hat, ist nach SZ-Informationen aktenkundig. Auch der Versuch, die zentrale Telefon-Einwahl des Dresdner Druck- und Verlagshauses (DD+V) „anzuzapfen“, in dem sowohl „Morgenpost“ als auch die „Sächsische Zeitung“ erscheinen, sei gescheitert, bestätigte Schwürzer. „Wissen Sie, das ist so ein Knotenpunkt“, erklärte er freundlich die technischen Finessen. Da könne die Telekom die einzelnen Anrufe eben nicht genau zurückverfolgen.

Empörung über das Vorgehen

Unterdessen kocht die Empörung über den äußerst umstrittenen Eingriff in die Pressefreiheit hoch. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte scharf das Vorgehen gegen den Journalisten und erwägt rechtliche Schritte. Journalisten müssen nicht nur den Schutz ihrer Informanten gewährleisten können, sie müssen auch selbst geschützt sein, so der DJV Sachsen.
Von Annette Binninger und Karin Schlottmann