Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 01.08.2005
Eine Information aus erster Hand
Schnüffel-Attacke. Die Staatskanzlei erfuhr von Staatsanwalt Ball von dem Ermittlungsverfahren.
Brauchte Staatsanwalt Andreas Ball Unterstützung in eigener Sache oder hatte er Sorge, dass die Antikorruptionseinheit Ines platt gemacht wird? Am Sonntag, dem 14. August, wandte sich der Jurist an Andrea Fischer, Staatssekretärin in der Staatskanzlei. In einem Vier-Augen-Gespräch berichtete er über das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Chemnitz „aus seiner Sicht“, teilte gestern die Staatskanzlei auf SZ-Anfrage mit.
Bei der Unterhaltung sei es auch um den Dresdner Journalisten gegangen, gegen den die Chemnitzer Ermittler eine Telefondaten-Abfrage laufen hatten. Die Staatsanwaltschaft will auf diese Weise herausfinden, ob Ball den Reporter über eine Hausdurchsuchung vorab informiert hat.
Einen Tag nach dem Gespräch zwischen Ball und Fischer informierte die Staatssekretärin Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) über das Treffen. Am 17. August sprach Milbradt Justizminister Geert Mackenroth (CDU) auf die Angelegenheit an und bat um „eine Einschätzung“, wie es in der Antwort der Staatskanzlei heißt.
Die Motive dafür, dass sich Staatsanwalt Ball an die Staatskanzlei wandte, sind bisher unklar. Selbst wenn es sich um ein Privatgespräch gehandelt haben sollte, dürfte dem Juristen klar gewesen sein, dass Milbradt von dem Inhalt des Gesprächs erfahren würde. Ob genau das Balls Absicht war, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Sein Vorgesetzter, der Leiter der Staatsanwaltschaft Dresden, hatte Ball gegen dessen Willen aus der Antikorruptionseinheit abgezogen und mit neuen Aufgaben betraut. Oberstaatsanwalt Henning Drecoll begründete diesen Schritt mit dem gegen Ball laufenden Ermittlungsverfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen.
Unterdessen halten die Proteste gegen das Vorgehen der sächsischen Justiz sowie gegen Minister Mackenroth an. Ebenso wie die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD hat auch die PDS-Fraktion einen Berichtsantrag im Landtag eingereicht. „Wir wollen erreichen, dass das Parlament die Erfassung sämtlicher Telefon-Kontaktdaten eines Journalisten im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Anti-Korruptionseinheit Ines als einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die durch Grundgesetz und Landesverfassung garantierte Pressefreiheit verurteilt“, sagte Fraktionssprecher Marcel Braumann. Die FDP-Fraktion greift zudem die Staatsregierung an, die am Dienstag Mackenroths Erklärung, wonach die Telefonüberprüfung juristisch korrekt war, abnickte. „Offenbar handelt es sich bei dem Anschlag gegen die Pressefreiheit nicht um einen Ausrutscher, sondern um offizielle Regierungspolitik“, so der liberale Abgeordnete Jürgen Martens.
Der Dresdner Rechtsanwalt Harald Baumann-Hasske, Bundeschef der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen, nannte das Vorgehen gegen den Journalisten einen Skandal.
Der sorgt mittlerweile auch bundesweit für Aufsehen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte Mackenroth in einem Brief zu einem Gespräch auf. Der Minister solle dabei erklären, warum er seinen Angriff auf Journalistenrechte wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen gestartet hat. Das Gesetz sehe solche Aktionen allenfalls bei Kapitalverbrechen vor, so DJV-Bundeschef Michael Konken. Noch steht die Antwort aus Dresden aus.
Von Karin Schlottmann und Gunnar Saft