Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 01.09.2005
"Mackenroth sollte sich entschuldigen"
SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss im Interview mit Bernd Hilder
Leipzig. Die Abfrage von Telefondaten eines Journalisten durch die Staatsanwaltschaft hätte Justizminister Geert Mackenroth (CDU)stoppen müssen, sagt SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss als Koalitionspartner.
Frage: War die Schnüffelattacke der Staatsanwaltschaft auf die Telefone eines Journalisten berechtigt?
Cornelius Weiss: Diesen Eingriff in die Privatsphäre wegen einer solchen Lappalie kann ich nicht gutheißen. Da kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen, sonst gerät die Pressefreiheit in Gefahr. Die Medien müssen vor solchen Datenbeschaffungen geschützt werden.
Hätte der Justizminister die Aktion stoppen sollen?
Eindeutig ja. Die Telefonabfrage wäre zu verhindern gewesen. Ich gehe aber davon aus, dass Geert Mackenroth, den ich für einen Ehrenmann halte, hier einen Moment nicht genau hingeschaut hat. Eine solche Fahrlässigkeit kann im Alltagsgeschäft passieren. Die CDU-SPD-Koalitionsfraktionen fragen nun per Antrag nach: Wer waren die Betroffenen? Wurde der Journalist mit den Handy-Daten geortet? Gab es Überprüfungen von Kontoständen? Wenn der Minister diesen Katalog ausführlich und sachlich beantwortet, ist die Sache aus der Welt.
Muss sich der Justizminister entschuldigen?
Herr Mackenroth sollte sich entschuldigen - und wie ich ihn kenne, wird er das auch tun.
Wie erklären Sie sich das rigide Vorgehen der Staatsanwaltschaft? Sollten Medien und Fahnder eingeschüchtert werden?
Ich vermute hinter dem Zwischenfall eher eine unglückliche Verkettung von Umständen. Solche Probleme entstehen, wenn Juristen nur in Paragrafen denken und nicht die politischen Folgen beachten. Hier ist man aber an das Grundsätzliche gestoßen und hat eine Grenze überschritten. Ich hoffe ungewollt.
Die CDU beklagt sich immer wieder über den SPD-Abgeordneten Karl Nolle. Gefährdet er die Koalition?
Karl Nolle ist ein emotionaler Mensch, der feste Grundsätze über Moral in der Politik hat. Er bereichert unsere Fraktion, weil er laut sagt, wenn der Kaiser keine Kleider anhat. Dafür schätze ich meinen Freund.
Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten das "Problem Nolle" nicht im Griff ...
Ich werde ihm aber die Freiheit der eigenen Meinung nicht beschneiden, denn ich war in der DDR selbst Objekt von Disziplinierungen. Ich muss allenfalls liebevollen Druck ausüben und Nolle bitten, seine Äußerungen privat in der Öffentlichkeit zu verbreiten.
Gehen die Verluste der SPD an die Linkspartei schon an die Substanz?
Wir laufen in der Tat Gefahr, zwischen die Mühlsteine zu geraten. Aber: Die PDS wendet bei der WASG ihre alte, leninsche Bündnisstrategie an: Anhimmeln, umarmen, einverleiben, aussaugen und wegwerfen. Das wurde schon in den 30er Jahren in der Komintern gelehrt. Die Linkspartei wird aber ihr Waterloo erleben, wenn die Protestwähler merken, dass sie nur hohle Versprechungen macht. Die SPD beziehungsweise Gerhard Schröder und seine Mannschaft haben sich dagegen mit der Sozialstaatsrefom eine Titanenaufgabe vorgenommen. Für diesen Kampfesmut wird der Kanzler trotz der Einschnitte bewundert.
Die Reformen haben aber kaum Menschen in Arbeit gebracht ...
Das gilt mehr im Osten als im Westen. Aber wir müssen uns von der 40-Stunden-Woche verabschieden und uns daran gewöhnen, Arbeit zu teilen. In Deutschland wird es nie wieder Vollbeschäftigung geben.
Um die NPD ist es stiller geworden. Wie gehen Sie künftig mit den Rechtsextremisten im Landtag um?
Die Träume der NPD, über den Brückenkopf Dresden bis Berlin zu marschieren, haben sich ausgeträumt. Bei der Bundestagswahl wird die Partei einen weiteren Dämpfer erleben und maximal noch drei Prozent erreichen. Das ist - nach dem ersten Wettbewerb der Empörung - auch ein Verdienst der Absprache aller demokratischen Fraktionen. Fortan werden wir stärker in die Offensive gehen und den Rechtsextremisten strategisch das Wasser abgraben. Bis zur nächsten Landtagswahl darf die NPD keine Rolle mehr spielen.