Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 06.09.2005
Nolle bringt Weiss auf die Palme
Dresden. Die Affäre um die staatsanwaltliche Telefonausspähung eines Dresdner Journalisten verlangt von CDU und SPD diplomatische Kunststücke. Bis zur morgigen Landtags-Sondersitzung gilt es, den neuen Ärger zwischen den Koalitionären zu befrieden. Doch nicht nur das. Auch innerhalb der SPD-Fraktion hängt der Haussegen schief. Fraktionschef Cornelius Weiss ärgert sich massiv über seinen Abgeordneten Karl Nolle.
Er sei, so Weiss, von dem Genossen und Menschen Nolle "sehr enttäuscht". Ausgangspunkt des Krachs sind die Ermittlungen gegen einen Staatsanwalt der Antikorruptionseinheit Ines. Er soll einen Journalisten über eine Razzia bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) vorab informiert haben. Die Staatsanwaltschaft besorgte sich daher - mit Kenntnis von Justizminister Geert Mackenroth (CDU) - die Telefonlisten der Beteiligten. In einer Kabinettssitzung sollen auch die SPD-Mitglieder Mackenroth unterstützt haben. Für Nolle Grund genug für die Äußerung, dass es nicht Aufgabe der SPD sei, "im Kabinett den Hanswurst zu spielen".
Eine Spitze aus den eigenen Reihen, die Fraktionschef Weiss auf die Palme bringt. Der Satz ziele auf Wirtschaftsminister und Parteichef Thomas Jurk. "So etwas klärt man intern und nicht in der Öffentlichkeit", sagt Weiss. "Und Herr Jurk ist kein Hanswurst." Der Minister betont dagegen, dass gerade er es gewesen sei, der vom Kollegen Mackenroth Aufklärung verlangt habe. Nolle versteht indes die Welt nicht mehr und bleibt bei seiner Äußerung. "Natürlich darf die SPD nicht den Hanswurst spielen. Der Umkehrschluss", so Nolle, "wäre wohl kaum im Sinne der Partei." Er habe nicht über Jurk geurteilt.
Die Schnüffel-Affäre sorgt auch für Zoff zwischen CDU und SPD. Erst wunderte sich die Union, dass Weiss im Interview mit dieser Zeitung eine Entschuldigung des Ministers verlangte. Dann ärgerte sich die SPD, dass CDU-Fraktionschef Fritz Hähle dem Minister schon vor der Sondersitzung Absolution erteilte: "Geert Mackenroth hat sich völlig korrekt verhalten." Dabei hatten beide Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag ein halbes Dutzend Fragen gestellt und von einem "Eingriff in die Grundrechte" gesprochen. Die SPD, hieß es nun, solle sich erst mit den Gesetzen befassen, ehe sie ein Fass aufmache - und nebenbei die eigene Bundesregierung attackiere.
Tatsächlich war es die rot-grüne Koalition in Berlin, die 2001 in der Strafprozessordnung den Schutz der Telefone von Journalisten ausklammerte. Mackenroth hält nun eine Neuregelung für denkbar, da die derzeit geltenden Vorschriften Ende 2007 außer Kraft treten. "Spätestens bis dahin muss das Verhältnis von Pressefreiheit und Ermittlungsmaßnahmen in einem schon vom damaligen Gesetzgeber geplanten Gesamtkonzept neu ausbalanciert werden", sagte Mackenroth dieser Zeitung. Sachsen werde sich an dem Prozess beteiligen. "Ich bin in diesem Rahmen offen für Veränderungen in der Strafprozessordnung." Auch die Linkspartei, die die Landtags-Sondersitzung beantragt hat, will einen besseren Journalisten-Schutz erreichen.
Sven Heitkamp