Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 15.09.2005

Staatsanwalt fordert "Aufstand der Zuständigen"

Cornelius Weiss; "Hochmut und Arroganz der Macht haben nach 1990 die Entwicklung der Demokratie verhindert. Das Entstehen und Erstarken rechtsextremer Strukturen wurde von der CDU verschlafen."
 
Dresden. Um den Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen zurückzudrängen, sei nicht nur ein "Aufstand der Anständigen" erforderlich, sondern auch ein "Aufstand der Zuständigen". Das sagte Jürgen Schär, Leiter des Staatsschutzdezernats der Staatsanwaltschaft Dresden, am Dienstagabend auf einer Podiumsdiskussion. "Diese Ergänzung ist wichtig. Politik, Schulen, Polizei und Justiz haben eine Verantwortung, der sie sich bewusst werden müssen."

Im Freistaat Sachsen sei die Zahl rechtsradikaler Gewalttäter wesentlich höher als im Bundesgebiet. Kämen deutschlandweit auf 100.000 Einwohner zwölf gewaltbereite Skinheads, so seien es in Sachsen 37. Schär sagte, aus seiner Sicht böte das Strafrecht ausreichende Möglichkeiten, um rechtsextreme Gewalttaten zu verfolgen. "Es muss aber auch der Strafverfolgungswillen vorhanden sein", mahnte er an.

Außerdem müsse sich die Justiz mehr den Opfern von rechtsextremen Straftaten zuwenden. Es gehe darum, Vertrauen zwischen den Geschädigten und dem Staat aufzubauen. "Da ist die Polizei gefordert, die die Anzeigen der Opfer aufnimmt. Da sind die Richter gefordert, die die Geschädigten als Zeugen vernehmen. Sie haben eine Fürsorgepflicht. Und da sind die Verteidiger gefordert, die fair mit den Opfern im Zeugenstand umgehen sollten." Schär forderte die Anwaltschaft auf, sich stärker der Nebenklagevertretung in Prozessen gegen rechte Gewalttäter zu widmen.

Forderungen, die Schulhof-CD der NPD zu verbieten, erteilte Schär eine Absage. Die rechtsextreme Partei habe im Gegensatz zu früheren CDs alles strafrechtlich relevante Material herausgenommen. Es gebe für die Justiz keine Möglichkeit zum Einschreiten. Die Schulleiter könnten aber ihr Hausrecht geltend machen, wenn die NPD im Wahlkampf die CD vor Schulen vertreibt.

Auf der gleichen Podiumsdiskussion machte Cornelius Weiß, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, 14 Jahre Alleinregierung der CDU in Sachsen mit für das Erstarken des Rechtsextremismus verantwortlich. "Hochmut und Arroganz der Macht haben nach 1990 die Entwicklung der Demokratie verhindert. Das Entstehen und Erstarken rechtsextremer Strukturen wurde von der CDU verschlafen."
Thomas Hartwig