Karl Nolle, MdL

Demokratische Gemeinde 2/2001, 01.02.2001

Um den heißen Brei herum ...

SPD, Grüne und PDS auf der Suche nach einem Kandidaten
 
DRESDEN. Auf der Suche nach einem gemeinsamen Linkskandidaten zur Dresdener OB-Wahl im Juni bietet sich für SPD, Grüne und PDS vorerst nur einer an: Wolfgang Berghofer. Doch der war schon, bis 1989 SED-Oberbürgermeister der Sachsenmetropole. So mag ihm keiner die Kandidatur anbieten.

Seit 1990 wird Dresden von einem blassen, uncharismatischen Elektroingenieur regiert, der selbst in der CDU nur als zweite Wahl gilt. Dennoch holte Herbert Wagner stets absolute Mehrheiten, dennoch bestätigte ihn seine Partei schon im Sommer erneut als Kandidaten für die OB-Wahl am 1o. Juni. Man kann es sich Leisten. Opposition? Noch farbloser!

Drei Parteien links der Mitte machen sich das Leben noch gegenseitig schwer. Einig sind sich SPD, Grüne und PDS zwar schon lange darin, dass nur eine geballte Linke Wagner vom Sockel stürzen kann. Doch zu mehr als dieser Einsicht reichte es bislang nicht. Als die SPD gar im Herbst den weststämmigen Druckereibesitzer Karl Nolle als Konsenskandidaten aufbot, schien die Linksallianz ganz tot. Dabei war die Wahl des 55-Jährigen, der die Landtagsfraktion in Wirtschaftsfragen vertritt, nicht unbedacht. Nolle steht für linke und tolerante Positionen, er ist in Dresden als Kulturmäzen längst unverzichtbar, und 1986 hatte ihn sogar die SPD in Hannover gefeuert, da er die Grünen protegierte. 1998 trat er wieder ein, blieb aber in der ohnehin arg zerstrittenen Dresdener SPD isoliert. Unerwartet heftig zudem die Ablehnung bei PDS und Grünen, geschuldet auch seiner Herkunft. Ein „Wessi" scheint derzeit in Dresden schwer vermittelbar.

Anfang Januar warf Nolle schließlich das Handtuch. Statt Freude aber eher Betroffenheit bei Grünen und Sozialisten. Denn allemal war es leichter, auf den mit offenem Visier kämpfenden SPD-Mann einzuhauen, als echte Alternativen aufzufahren. Und wieder zeigt man nur auf die Sozialdemokraten, die im Stadtrat gerade noch zu neunt sitzen (CDU 33, PDS 18, Grüne 5). Doch die wollen nun „eigene Parteiinteressen so deutlich zurücknehmen", wie Stadtvorstands-Chef René Vits es nennt, dass sie selbst den immerhin von eigenem Ortsverein vorgeschlagenen SPD-Zweitbewerber Reinhard Martin schnöde ignorieren. Während Basismitglieder darüber maulen, kontert die Unterbezirksvorsitzende Marlis Volkmer nüchtern: „Für uns ist er kein Bündniskanididat."

Mithin machte sich nun auch bei der SPD eine Einsicht breit, die schon die Grünen ganz auf eine Spitzenkandidatur verzichten ließen und auch PDS Frontfrau Christine Ostrowski (MdB) zur Aufgabe zwang: Allein ist jeder chancenlos gegen die Union. Nur wer soll der ominöse, möglichst parteilose und von allen mitgetragene Bündniskandidat sein?

Alle wissen es, keiner mag es öffentlich zugeben. Denn jenes „Phantom" (Volkmer) gibt es bereits, Es hat sich nie darum beworben, gibt keine Pressekonferenzen, bekundet nur gelegentlich seine tiefe Liebe zu Dresden - und trotzdem prophezeien ihm Umfragen Sympathiewerte bis 60 Prozent- Die Rede ist von Wolfgang Berghofer, einem politischen Stehaufmännchen ohnegleichen, Gelernter Maschinenbauer, letzter SED-Rathauschef in Dresden, zwischendurch Stasi IM, nach der Wende PDS-Vize, dann überraschend ausgetreten und 1992 wegen Beihilfe zur Wahlfälschung auf Bewährung zu Gefängnis verurteilt, heute Unternehmensberater in Berlin. Keiner weiß genau, wofür dieser charismatische Endfünfziger heute steht, dem Biedenkopf schon 1990 „persönliche Sympathie" sowie ein „großes politisches Talent" bescheinigte.

Keine Frage, die SPD büßt bei einigen Glaubhaftigkeit ein, wenn sie diesen Mann aufs Schild hebt, ganz zu schweigen von den Grünen mit ihrer bürgerbewegten Vita. „Berghofer würde nicht integrieren, sondern Dresden spalten“, warnt Grünenfrau Eva Jähnigen. 5PD-Fraktionschef Andreas Herrmann hält ihn für einen „Mann der Vergangenheit". Entsprechend lautstark lehnen die einen wie die anderen den Ex-SED-Mann ab. Vielleicht schon ein wenig zu laut?

Denn - so fragen viele nüchtern - haben 13,2- bzw. 5,8- Prozent-Parteien überhaupt eine andere Wahl, als einen so populären Kommunalprofi mit ausgewiesenen Macherqualitäten für sich zu vereinnahmen, wenn sie denn wirklich eine Wende im Rathaus bewirken wollen? Verlieren sie nicht mehr Glaubwürdigkeit, wenn sie diese Chance vertun? Selbst SPD-Landeschefin Constanze Krehl schwenkte um und hält jetzt eine parteiunabhängige Kandidatur Berghofers „für vorstellbar", auch wenn der sich nach wie vor nicht erklärte. Oder zaubert eine unabhängige Bürgerinitiative namens „OB für Dresden", die derzeit mit allen spricht, doch noch eine andere große Trumpfkarte aus dem Ärmel?
(von Harald Lachmann)