Karl Nolle, MdL
Agenturen, ddp-lsc, 15:04 Uhr, 27.10.2005
Partner auf Profilsuche - Seit einem Jahr wird Sachsen von einer CDU/SPD-Koalition regiert - Kritiker in den eigenen Reihen
Von ddp-Korrespondent Tino Moritz
Dresden (ddp-lsc). Im Untersuchungsausschuss zur Landesbank Sachsen LB scheint alles wie früher zu sein: Die Landtagsabgeordneten der Union erklären nach jeder Zeugenvernehmung mehr oder weniger deutlich, dass die Vorwürfe gegen CDU-Regierungsmitglieder hanebüchen sind. Und SPD-Obmann Karl Nolle behauptet dann genau das Gegenteil. Dabei gehört der «Chef-Aufklärer», dem ein wesentlicher Anteil am vorzeitigen Abgang von Ex-Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) zugeschrieben wird, zu den 68 Abgeordneten von CDU und SPD, die die Koalition seit einem Jahr tragen. Doch der 60-Jährige hat offenkundig mit seinen CDU-Kollegen im Untersuchungsausschuss nichts weiter gemein, als dass er nun neben ihnen sitzt statt wie früher gegenüber.
Dennoch darf die erste Koalition in dem zuvor von der CDU allein regierten Sachsen nach dem blamablen Fehlstart vor einem Jahr inzwischen als gefestigt gelten - trotz Nolle und einer Hand voll Abweichler bei geheimen Abstimmungen in den eigenen Reihen. Nachdem am 10. November 2004 Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) so erst im zweiten Anlauf wiedergewählt wurde, brachte das CDU/SPD-Bündnis ohne größere Probleme den Doppelhaushalt 2005/2006 durch.
Kultusminister Steffen Flath (CDU) gelang schließlich nach bundesweit Aufsehen erregenden Lehrer-Warnstreiks und zähen Verhandlungen ein bedeutsamer Tarifkompromiss mit Teilzeitregelungen für Sachsens Pädagogen. Nun schickt sich die Regierung an, eine umfassende Verwaltungsreform zustande zu bringen.
Doch den mal mehr, mal weniger ambitionierten Vorhaben stehen für einzelne Kabinettsmitglieder höchst unerfreuliche Vorgänge gegenüber. So gab Finanzminister Horst Metz (CDU) in der Affäre um die Landesbank, die nicht nur einen Untersuchungsausschuss, sondern auch die Gerichte beschäftigt, zeitweilig eine äußerst unsichere Figur ab. Auch Justizminister Geert Mackenroth (CDU) kommt nicht zur Ruhe: Nachdem vor zwei Monaten sein Verhalten im Zusammenhang mit Ermittlungen im Umfeld der sächsischen Anti-Korruptionseinheit INES, bei denen Staatsanwälte auch die Telefonverbindungsdaten eines Journalisten erfassten, auf Kritik stieß, gerät er nun wegen eines Beamten-Jobs seiner Frau in einem Bildungsinstitut unter Druck.
Die beiden SPD-Novizen im Kabinett hatten indes nur kurzzeitig damit zu kämpfen, dass Wissenschaftsministerin Barbara Ludwig ausgerechnet die Lebensgefährtin des Staatssekretärs von Wirtschaftsminister Thomas Jurk zu ihrer gut bezahlten Sprecherin machte. Ansonsten fallen bislang weder Jurk noch Ludwig durch schlagzeilenträchtige Aktionen auf. Das allein mag nichts Negatives sein. Allerdings sieht sich SPD-Parteichef Jurk genauso wie sein CDU-Gegenüber Milbradt zunehmend internen Kritikern gegenüber, die mehr Profil einfordern.
SPD-Vize Barbara Wittig hat bei Jurk einen Mangel an Mut, Unfähigkeit zur Kommunikation und Führungsschwäche ausgemacht und ließ zudem verlauten, dass die SPD öffentlich als «willfähriger Erfüllungsgehilfe der CDU wahrgenommen» werde. Nolle warnt die SPD nun sogar davor, zu einer «sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft der CDU» zu werden.
In der Union hat Ex-Wissenschaftsminister Matthias Rößler derweil eine Patriotismus-Debatte angestoßen. In dem von ihm ausgearbeiteten Leitantrag zum Parteitag am 5. November wird etwa vorgeschlagen, Sachsens Grundschülern künftig das Erlernen der Nationalhymne als Pflichtstoff vorzuschreiben. Mit der Debatte soll die Union Rößler zufolge ihr Profil als «patriotische Volkspartei» schärfen und verhindern, dass sie «ein Bild von kalten Technokraten» abgebe.
ddp/tmo/hal
271504 Okt 05