Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.11.2005
Schwarz-Rot, eine farblose Allianz
Koalition. Seit einem Jahr regieren CDU und SPD als politisches Zweckbündnis – eine vorläufige Bilanz.
Koalition. Seit einem Jahr regieren CDU und SPD als politisches Zweckbündnis – eine vorläufige Bilanz.
Ein Satz genügte, um nach der Landtagswahl im Herbst 2004 die künftige sächsische Koalitionsregierung zu beschreiben. „Es ist eine Vernunftehe“, legte sich CDU-Chef Georg Milbradt am Ende der Koalitionsverhandlungen fest, und sein neuer politischer Bündnispartner, SPD-Chef Thomas Jurk, stand daneben und nickte stolz.
Ein Jahr später ist nun eingetreten, was bei einem solchen Satz zu befürchten war. Beide Parteien haben ihre Plätze am Kabinettstisch eingenommen und wachen seitdem mit Argwohn darüber, dass sich der andere Partner exakt an die Vereinbarungen hält, auf die man sich zuvor im Koalitionsvertrag einigen konnte. Regiert wird nach dem Motto: Tust du mir nichts, tut ich dir auch nichts. Der Handlungsspielraum, den sich die schwarz-rote Staatsregierung dabei bis 2009 zugebilligt hat, ist zudem ungeheuer eng. Nur 86 locker beschriebene Seiten sind es, die im Streitfall entscheiden, was getan werden muss und was nicht – gut möglich, dass es dann sogar dem Land hilft.
Der Burgfrieden wurde bislang auch nur selten gestört. Und statt um Themen ging es dann meist um Personalien. So drohte der zum Vize-Ministerpräsidenten avancierte Jurk seinem Chef Milbradt zum Jahresanfang mit einem Kabinetts-Veto, nachdem man sich nicht um die Bezahlung von persönlichen Mitarbeitern einigen konnte. Im anderen Fall giftete die CDU öffentlich, weil die Sozialdemokraten ihren Abgeordneten Karl Nolle nicht im Griff hatten. Der kritisierte wiederholt, dass die beiden neuen Regierungspartner nun daran gehen, alte Skandale wie den der Misswirtschaft in der Landesbank gemeinsam unter den Teppich zu kehren.
Blässe bisher ohne Folgen
Am Kabinettstisch selbst sind sich CDU und SPD mangels Alternativen oft schneller einig. Der Doppelhaushalt für 2005/2006 wurde zwar mit dem Rotstift geschrieben, allein auf einen lange geplanten Schuldenabbau von 300 Millionen Euro wurde verzichtet. Mit dem Geld mussten Wahlgeschenke bezahlt werden, nachdem die Sozialdemokraten beim Koalitionspoker erfolgreich auf zusätzliches Geld für die Schulen und den Mittelstand bestanden hatten.
Von einer solchen Souveränität ist bei Jurk und Co. heute aber kaum noch etwas zu spüren, im Gegenteil. Die Sozialdemokraten erscheinen mitunter sogar als die besseren Christdemokraten, wenn es zum Beispiel darum geht, frühere Oppositions-Positionen der Regierungsrolle zu opfern. Die beunruhigte Basis hofft nun zumindest auf einen SPD-Generalsekretär, der als politischer Wadenbeißer das öffentliche Profil der Partei im Land wieder schärft.
Die politische Blässe hat bisher aber kaum Folgen. In Umfragen konnten beide sächsische Koalitionsparteien ihre Vorjahreswerte halten, obwohl man bei der Bundestagswahl deutlich Stimmen verlor. Das graue Allerlei des Dresdner Regierungsgeschäfts erweist sich stattdessen für Georg Milbradt immer mehr als Glücksfall. Nachdem nichts eintrat, was viele verunsicherte CDU-Mitglieder ihrem Chef einst wütend vorhielten, festigt sich dessen Position zusehend. Erst kürzlich zog er triumphierend sein eigenes Fazit. „In dieser Koalition wird weiter CDU-Politik gemacht.“ Genickt hat bei den Sozialdemokraten diesmal niemand. Aber auch nicht lautstark widersprochen.
Von Gunnar Saft