Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.11.2005

Patriotismus-Antrag verschwindet in der Schublade

 
Dresden. Eigentlich wollten die Spitzen von CDU und SPD gestern ein positives Zwischenfazit ziehen. Ein Jahr bestehe nun die große Koalition in Sachsen, meinte CDU-Fraktionschef Fritz Hähle, das Bündnis habe sich bewährt. Und auch persönlich sei die Lage stimmig. Er empfinde "allerhöchste Wertschätzung" für sein SPD-Pendant Cornelius Weiss - ein Lob, das dieser umgehend zurückgab.

Doch die offiziell demonstrierte Einigkeit trügt. Punktgenau zur Ein-Jahres-Bilanz knirscht es erkennbar im Gebälk der Koalitionäre im Freistaat. Grund ist die Patriotismus-Debatte der Union - und auch ein wenig die rechtsextreme NPD.

Letztere hat für morgen einen Antrag auf die Tagesordnung des Landtags gesetzt, das Thema lautet: "Vermittlung von Kenntnissen über die deutsche Nationalhymne an sächsischen Schulen". Eben das hatte die CDU-Fraktion, allen voran Ex-Minister Matthias Rößler sowie der CDU-Schulpolitiker Thomas Colditz, zuvor ebenfalls gefordert. Und der CDU-Landesparteitag hat den entsprechenden Vorstoß erst am Wochenende in Schwarzenberg mit übergroßer Mehrheit abgesegnet. Bleibt nur ein entscheidendes Problem: Der Koalitionspartner SPD spielt nicht mit.

Das hat sich bereits seit Tagen angedeutet, gestern legte Weiss die Richtung endgültig fest. "Ich sehe überhaupt nicht ein, warum die Debatte jetzt vom Zaun gebrochen wird", sagte er mit Vehemenz, von Begriffen wie "Schicksalsgemeinschaft" fühle er sich "unangenehm berührt". Fazit: Das CDU-Papier sei schlicht "verquast und nicht durchdacht", das Land habe "andere Sorgen".

Das birgt Zündstoff für das Bündnis und bringt vor allem die CDU in Zugzwang. Denn laut Koalitionsvertrag dürfen Anträge einer Seite nicht in den Landtag eingebracht werden, wenn die andere dagegen ist. Und eben diese Regel greift nun zum ersten Mal. Folge: Hatte CDU-Mann Colditz noch vor zweieinhalb Wochen gefordert, dass Text, Melodie und Hintergrund der deutschen Nationalhymne "verpflichtend in die Lehrpläne" aufgenommen werden sollten, so wird der entsprechende CDU-Antrag in den Schubladen versenkt.

"Wir wollen die Schulen nicht zwingen", referierte Hähle gestern die neue CDU-Lesart, es sei "nicht zweckdienlich", wenn der Landtag "in die Lehrpläne eingreift". Trotz dieses Rückziehers aber hält die Union laut Hähle an ihrer Patriotismus-Initiative inhaltlich fest. Bleibt der Umgang mit der NPD: Nach Aussage von Hähle wird die CDUden morgigen Antrag der Rechtsextremen ablehnen - es sei denn, einige Unionschristen stimmten offen mit der NPD.


Jürgen Kochinke