Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 10.11.2005
Misstöne beim Hymnen-Streit
Deutschlandlied. Eine Selbstverständlichkeit löst im Parlament Unruhe aus.
Eine Frage, die einfach zu beantworten ist, spaltet unsere Abgeordneten: Soll Deutschlands Nationalhymne zum Lehrstoff sächsischer Schüler gehören?
Kultusminister Steffen Flath (CDU) kam gestern am Landtagspult schnell zur Sache: Sie gehört dazu. An allen Schulen könne jeder Schüler die Hymne lernen, singen und thematisch behandeln. Das sei eine „Selbstverständlichkeit“. Der Minister mahnte lediglich, die wechselhafte Geschichte des Deutschlandsliedes möglichst altersgerecht zu vermitteln.
Diese Aussage hätte ausgereicht, um das Thema abzuhaken. Allein das Parlament entschied sich, aus der Hymnen-Frage ein politisches Streitthema zu machen. Allen voran preschte dabei die NPD, die per Extra-Antrag forderte, was vor Ort schon Praxis ist: die Vermittlung von Kenntnissen über die Nationalhymne an Sachsens Schulen. Die Stoßrichtung war klar erkennbar. Die Rechtsfraktion wollte allein die CDU vorführen, die zurzeit eine interne Patriotismus-Debatte ankurbelt und dabei auch die Nationalhymne stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken will – allerdings sehr zum Verdruss des eigenen Koalitionspartners SPD, der andere Dinge für wichtiger hält.
Prompt folgte dann auch eine heftige Debatte über den Sinn oder Unsinn des Hymne-Singens, bei welcher der Landtag hart am Rande eines Eklats vorbeischlitterte. Zum Beispiel als der NPD-Fraktionschef Holger Apfel die Gunst der Stunde ausnutzte, minutenlang aus Partei-Texten des NPD-Nachwuchses zitierte und so gezielt am Thema vorbei provozierte. Vor allem Peter Porsch und Karl Nolle gingen darauf ein. Während der PDS-Fraktionsvorsitzende die Hinterhältigkeit der „faschistischen NPD“ attackierte, konnte der SPD-Abgeordnete Nolle nur per Kunstgriff davon abgehalten werden, während seiner Gegenrede zu Apfel das verbotene Horst-Wessel-Lied zu zitieren. Nolle wurde das Mikrofon abgedreht. Die FDP wetterte zwar nicht gegen das Lied der Deutschen, kalauerte aber umso eifriger gegen ein vermeintlich geplantes Zwangssingen wie einst auf DDR-Schulhöfen.
Sensible Stimmen wie vom Grünen Karl-Heinz Gerstenberg gab es nur wenige: Er akzeptiere die Hymne, tue sich mit dem Singen aber schwer, da der Text aus den Zeiten des Nationalsozialismus diskriminiert wäre. Pro Hymne argumentierte auch CDU-Fraktionschef Fritz Hähle, allerdings mit deutlich mehr Pathos in der Stimme, bevor der Landtag in namentlicher Abstimmung den NPD-Antrag ablehnte. Die Hymne selber wird es natürlich trotzdem weiter geben.
Von Gunnar Saft