Karl Nolle, MdL

Berliner Zeitung, 12.09.2004

Gute Investitionen, schlechte Investitionen

AUFBAU-OST - Sachsens Wirtschaft boomt, in Brandenburg lässt der Aufschwung weiter auf sich warten. Warum manche Regionen blühen und in anderen nur Palmen wachsen, wo einst Luftschiffe aufsteigen sollten.
 
BERLIN, 12. September. Wenn in Ostdeutschland neue Fabriken eröffnet oder Großinvestitionen gefeiert werden - dann reisen die Spitzenpolitiker der Bundesregierung in der Regel gen Süden. Nach Sachsen vor allem. Dort hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis90/Grüne) erst Mitte vergangener Woche in Espenhain das weltgrößte Solarkraftwerk eröffnet. Im Mai feierte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im modernen Volkswagenwerk bei Zwickau 100 Jahre Automobilbau in der sächsischen Region. Neben VW bauen auch BMW und Porsche neue Autofabriken in Sachsen. Und schon bald wird der US-Chiphersteller AMD sein zweites Werk in Dresden eröffnen und tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Damit hat Sachsens Metropole den Aufstieg zu Europas Chip-Hauptstadt geschafft.

"Wir brauchen den Vergleich mit dem Westen nicht mehr zu scheuen", sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (CDU) der Berliner Zeitung. Allein in der Mikroelektronik beschäftige Sachsen heute 20 000 Menschen in 500 Unternehmen. In der Automobilbranche zählt der Freistaat gar 60 000 Beschäftigte in rund 450 Firmen. Mit dem Maschinenbau - vor allem in Chemnitz zu Hause - baut das Land derzeit ein drittes großes Wirtschaftsstandbein auf. "Der Maschinenbau in Chemnitz läuft und brummt", sagt Gillo. Rund 30 000 Mitarbeiter zählt diese Branche bereits.

In Sachsen wurden diese Traditionsbranchen nach der Wiedervereinigung gezielt gefördert. "Wir haben nicht wahllos auf der grünen Wiese etwas völlig Neues aufgebaut, sondern an frühere Stärken angeknüpft", erklärt Wirtschaftsminister Gillo. Und das mit großem Erfolg. Im Vorjahr war Sachsen mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent das dynamischste Bundesland in Deutschland überhaupt. In den vergangenen drei Jahren brachte es der Freistaat auf ein Wachstum von durchschnittlich 1,5 Prozent - auch das ist bundesweit Spitze. Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) landete deshalb beim Bundesländer-Ranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ganz vorn und darf sich nun sogar "Ministerpräsident des Jahres 2004" nennen.

Mittelstandsfonds gekürzt

Aus Sicht der sächsischen Opposition indes schmückt sich die CDU-Regierung mit falschen Federn. "Das hoch gelobte Wachstum ist doch vor allem durch eine sonst so verpönte, klassische keynesianische Konjunkturbelebung hervorgerufen worden", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, . So habe Sachsen 2003 Flutgelder in Höhe von 2,3 Milliarden Euro ausgegeben, und damit eine Sonderkonjunktur mit einem Wachstum von 1,9 Milliarden stimuliert. "Dies als Eigenlob zu verkaufen, ist billig und stinkt gewaltig", sagt Nolle.

Der SPD-Politiker kritisiert zudem, dass die Förderung von Großansiedlungen zu Lasten des Mittelstandes betrieben werde: "Erst vor kurzem ist ein Mittelstandsfonds von 30 Millionen Euro auf 20 Millionen gekürzt worden, nachdem der Bau der zweiten AMD-Chipfabrik bekannt wurde."

Wirtschaftsminister Gillo (CDU) will von Wachstum auf Pump nichts wissen. Dagegen spreche der anhaltende Boom. "Wir merken erhebliche Zuwächse in der Industrie und rechnen für das erste Halbjahr mit einem zweistelligen Exportzuwachs", sagt Gillo. Für das Gesamtjahr erwarte er ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent und 2005 von bis zu 2,5 Prozent. "Es gibt viele Firmen", so Gillo, "die in den nächsten zwei Jahren hunderte von neuen Arbeitsplätzen schaffen werden."

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Die ökonomischen Fakten // Die Konzentration auf traditionelle Wachstumskerne zahlt sich in Sachsen aus. Sowohl bei den Exporten als auch bei der Schaffung neuer Jobs liegt der Freistaat klar vor Brandenburg.

Beim Wirtschaftswachstum war Sachsen in den letzten drei Jahren mit durchschnittlich 1,5 Prozent sogar bundesweit Spitze. Brandenburg gehört dagegen zu den Schlusslichtern.

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Sachsen:

Arbeitslosigkeit: 17,7 %

Schulden/Kopf: 2 446 Euro

Wachstum: +1,2 %

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