Karl Nolle, MdL
Börsen-Zeitung, Nr. 224 Seite 4, 19.11.2005
Neuer Skandal bei Sachsen LB
Schwere Vorwürfe gegen Vorstandsmitglied wegen mutmaßlicher Illoyalität
Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 19.11.2005 Die Landesbank Sachsen Girozentrale kommt nicht zur Ruhe. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass erneut ein Vorstand zurücktreten muss, nachdem erst im Februar der damalige Vorstandschef Michael Weiss und sein Kollege Rainer Fuchs um sofortige Abberufung aus ihren Ämtern gebeten hatten. Ihnen wurde vorgeworfen, im ebenso langjährigen wie heftigen Streit um die mehrheitliche Landesbank-Tochter MDL eine Pflichtmeldung nach dem Aktienrecht zurückdatiert zu haben. Minderheitsgesellschafter der MDL und juristischer Gegner der Sachsen LB ist Ludwig Hausbacher. Ihm war allem Anschein nach Weiss' und Fuchs' Vorstandskollege Hans-Jürgen Klumpp zu Diensten - gegen die Interessen der eigenen Bank.
Gegen die Vorstandskollegen
Dies geht jedenfalls aus dem Mitschnitt einer Nachricht auf dem Anrufbeantworter von Andreas Waldow hervor, den SPD-Obmann Karl Nolle während der jüngsten Sitzung des Sachsen-LB-Untersuchungsausschusses vorlegte. Danach drängte "Hans-Jürgen" den Hausbacher-Vertrauten schon Anfang 2004, aktiv zu werden, wenn der MDL-Miteigner im Streit mit der Sachsen LB künftig nicht permanent "als der Buhmann" dastehen wolle. Als Gegenstrategie schlug der Anrufer vor (wie dann auch geschehen), einem Journalisten nicht nur Einzelheiten aus der Bestellung von Weiss' Lebensgefährtin zu stecken, sondern auch andere diskreditierende Interna aus Privatleben und Geschäft der beiden später zurückgetretenen Vorstandskollegen - "sag ihm (Hausbacher), ich drück' ihm die Daumen".
Sitzung am Montag
Dementiert wurde der Mitschnitt bislang nicht. Kein Wunder, dass der Verwaltungsratschef und sächsische Finanzminister Horst Metz für Montag den Präsidialausschuss der Bank einberufen hat - auf dessen Sitzung es dem Vernehmen nach nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie des Ausscheidens Klumpps aus der Landesbank geht. Der heute 58-jährige Klumpp ist seit 1993 als Vorstand in Leipzig an Bord, mit der Zuständigkeit für Finanzen und Controlling. Im März dieses Jahres wurde er nach der Vakanz an der Spitze zum vorläufigen Vorstandssprecher der Landesbank bestellt. Als dann im Sommer der Dresdner Sparkassenchef Herbert Süß nach seinem altersbedingten Ausscheiden an der Elbe an die Spitze der Sachsen LB wechselte, wurde Klumpp zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden.
Faule Immobilienkredite?
Fatal auf längere Sicht könnte für die Sachsen LB eine andere Passage in dem Telefonmitschnitt sein. Darin fordert Klumpp den Schwiegersohn von Ex-Ministerpäsident Kurt Biedenkopf auf, zu streuen, dass in die gemeinsam mit dem Immobilienkaufmann Lutz Ristow neu gegründete Gemeinschaftsfirma Real "faule Immobilienkredite mehr oder weniger abgeschoben werden, um Abschreibungen für die Bank zu verhindern und vieles andere mehr". Sollte dies tatsächlich so gewesen sein, widerspräche dieses Handeln nicht nur sämtlichen bislang abgegebenen Versicherungen des Vorstands. Es müsste auch für die WestLB von Interesse sein, die im nächsten Jahr "mindestens" 25,1 % an der Landesbank Sachsen übernehmen will. Wohlweislich allerdings erst nach einer eingehenden Buchprüfung in Leipzig. Sollte die WestLB nach diesen internen Anschwärzungen vor einem Engagement zurückschrecken, würde es eng für die einzige ostdeutsche Landesbank, die ob ihrer geringen Größe und des (zu) schlechten Ratings von "BBB+" durch Standard & Poor's kaum eine eigenständige Zukunft haben dürfte.
Politik gerät unter Druck
Als Frage bleibt, welche Kreise diese Illoyalität zieht. Unter Beschuss geraten sind inzwischen auch die Verwaltungsratsvorsitzenden der Sachsen LB wegen vermeintlich fehlender Kontrolle. Das wäre zum einen der derzeitige Finanzminister Metz - wie aber auch sein Vorgänger, der heutige Ministerpräsident Georg Milbradt. Bislang jedenfalls war es noch immer so, dass Ex-Regierungschef Biedenkopf keine Chance ausließ, seinen Nachfolger zu schädigen.
Ulli Gericke, Berlin