Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 05.12.2005
Ränkespiele um Millionen
Justiz. Jetzt geht es um 140 Millionen Euro: Der Streit um die Landesbank-Tochter MDL ist irrational geworden.
Für ihre Tochterfirma Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) fanden die Manager der sächsischen Landesbank (Sachsen-LB) nur lobende Worte. Auf der Feier zum zehnten Geburtstag der Bank im Juni 2002 zeigte sich Vorstandschef Michael Weiss von den „maßgeschneiderten Produktangeboten der MDL“ sehr angetan. Sein Stellvertreter Rainer Fuchs erwartete „in jedem Fall weiteres Wachstum“. Vorstand Nummer drei, Hans-Jürgen Klumpp, wurde nicht müde, die „großen Chancen“ zu betonen.
So klangen die Visionen zur MDL der drei Topbanker. Jeder von ihnen verdiente mindestens 200 000 Euro brutto im Jahr. Jeder hatte seinen Dienstwagen samt Chauffeur und ein Büro mit fantastischer Sicht über Leipzig. Die drei bildeten eine fast absolutistisch anmutende Troika, die sich im Haifischbecken der Mächtigen über Jahre gehalten hatte – bis sie auf einen Mann trafen, der erst ihr Freund und dann ihr Feind und schließlich ihr Untergang wurde.
Ludwig Hausbacher heißt er. Ein bayerischer Geschäftsmann, den die Troika im Jahr 2000 mit ins Boot der MDL holte, ihm 49 Prozent der Gesellschaftsanteile übertrug – und der heute um zehn Uhr im Leipziger Landgericht 140 Millionen Euro Schadenersatz fordert – von der Sachsen-LB.
Schuldsuche als Trauerspiel
Drei Jahre schon dauert der Streit um die MDL. Weiss, Fuchs, Klumpp fielen ihm ebenso zum Opfer wie die frühere MDL-Chefin Andrea Braun. Ein Streit, der die Reputation der Bank aufs Ärgste ramponiert hat, zu einer Regierungskrise in Sachsen und zu einem Untersuchungsausschuss des Landtags führte. Der Unmengen an Gutachtern beschäftigte und eine Prozess lawine auslöste. Warum das alles?
„Auch Führungskräfte sind nur Menschen“, sagt der Leipziger Managementtrainer Conrad Giller. „Bei Kränkungen können auch sie mit üblichen Verhaltensmustern reagieren: Das reicht von der extremen Verdrängung der Krise bis hin zum Alles-in-sich-rein-Fressen“. Nur selten, sagt Giller, gelinge es, persönliche Verletzungen auch rational zu verarbeiten.
Die Auseinandersetzungen um die MDL und die dadurch ausgelöste Krise der Landesbank – mit Rationalität hat sie nicht viel gemein. Vielmehr mit Kabale, vor allem aber mit dem Fegefeuer des Machtverlusts, entzündet von Hausbacher. Er ist ein Typ, von dem mittlerweile in Sachsen viele andere Mächtige wünschten, er wäre gar nicht erst aufgetaucht. Ein Typ, der in einer Villa am Starnberger See residiert und von dort seine Kontakte in die einflussreichen Unternehmerfamilien Bayerns pflegt. Als MDL-Partner sollte er Garant für Gewinne sein, zu Ehren der Landesbank, zum Wohl der Staatsregierung.
Was anfangs gelang, endete spätestens im Winter 2002/2003. Der erhoffte Zwei-Millionen-Euro-Gewinn der MDL entpuppte sich als Verlust. Die einst so gefeierten „maßgeschneiderten Produkte“ verursachten ein Debakel: Auf fast 23 Millionen Euro summierten sich die MDL-Verluste bis Ende 2004.
Die Suche nach dem Schuldigen begann – und damit ein Trauerspiel, das tiefe Einblicke gewährt in Managerseelen: Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, das Ignorieren des Versagens, Intrigen, kompromissloser Kampf um Pfründe.
„Wenn die eigene Machtposition gefährdet ist, reagieren Manager mitunter völlig irrational“, erklärt Giller. Sie überkomme dann ein „Mix aus Flucht-, Frust- und Wutgefühlen“. Sozialkompetenz und Verantwortungsbewusstsein blieben dabei oft auf der Strecke.
Wie im Fall MDL. Mit Bekanntwerden der Verluste setzt der Topbanker Weiss dem Bayern Hausbacher eine neue MDL-Chefin vor die Nase – seine Lebensgefährtin Andrea Braun. Hausbacher wehrt sich, Weiss duckt ab und lässt Vorstandvize Fuchs auf den Bayern los. Der macht den MDL-Streit publik, nutzt seine Kontakte und bedient sich des Schwiegersohns von Sachsens Ex-Premier Kurt Biedenkopf als Pressesprecher.
Damit war eine neue Dimension erreicht: Der nach wie vor schwelende Konflikt zwischen Biedenkopf und seinem Nachfolger Georg Milbradt (beide CDU) bekam mit dem Fall MDL neue Nahrung. Politische Beobachter im Landtag sprechen deshalb vom „Hausbacher-Biedenkopf-Komplott“.
„Biedenkopf macht Milbradt immer noch für seinen unschönen politischen Abgang mitverantwortlich“, munkeln selbst Christdemokraten. Ein in die Öffentlichkeit lancierter Brief des Ex-Premiers, in dem er das Verhalten seines Nachfolgers in der MDL/Landesbank-Krise scharf kritisiert, spricht zumindest nicht gegen diese These. Allerdings wird auch der SPD-Gerechtigkeitskämpfer Karl Nolle mit Details im MDL-Streit versorgt. Spricht das nicht gegen die These? „Nein“, sagt ein erfahrener Abgeordneter. „Der Nolle ist das einzige Landtagsmitglied, das den Mumm und die Ausdauer hat, ein solches Ding durchzuziehen.“ Fakt ist: Hausbacher gelang es – auf welchem Weg auch immer –, Milbradt unter Druck zu setzen. Der Regierungschef entschied sich zunächst fürs Aussitzen. Erst im Februar 2005 ließ er Weiss und Fuchs als Landesbankvorstände abberufen.
Zu viele fragwürdige Geschäfte
Zumindest einer versuchte, sich aus dem MDL-Sog der untergehenden Troika zu befreien: ihr bis dahin schwächstes Mitglied Hans-Jürgen Klumpp. Gezielt streute er Informationen, die seine Vorstandskollegen diskreditieren sollten. Die landeten dummerweise auf einem Anrufbeantworter, was erst Mitte November im Untersuchungsausschuss aufflog. Ohne Abfindungs- oder Pensionsansprüche gab Klumpp daraufhin seinen Posten als Landesbank-Vize auf. Die Affäre dürfte damit nicht beendet sein. Zu viele fragwürdige Geschäfte der Bank sind inzwischen an die Öffentlichkeit gedrungen. Zum Teil hat sich die Bank auch selbst in Frage gestellt, als vor Gericht eine von ihr begangene Dokumentenfälschung aufflog. Wer dafür letztendlich die Verantwortung trägt – das ist trotz staatsanwaltlicher Ermittlungen offen.
Auch Finanzminister Horst Metz (CDU) steckt in der Bredouille. Er hat nicht nur Hausbachers Kontaktwelt für eine Großinvestition in seinem Wahlkreis nutzen wollen; er soll auch dem Bayern im April beim Landespresseball über einen Mittelsmann 35 Millionen Euro für die Beilegung des Streits geboten haben. Metz bestreitet das. Er beruft sich auf ein Gutachten des sächsischen Rechnungshofs, das den Wert der MDL auf 4,5 Millionen Euro beziffert. Finanzministerium und Landesbank halten deshalb die 140-Millionen-Forderung von Hausbacher für „völlig aus der Luft gegriffen“.
Zu verstehen ist all das kaum noch. Einige interessiert das auch nicht mehr. Weiss und Braun zum Beispiel. Das Paar soll inzwischen auf Zypern leben und Kinderfreuden entgegensehen. Weiss bekommt weiter sein Vorstandsgehalt, weil ihm eine Schuld an der MDL-Misere nicht nachzuweisen ist. Braun klagte gegen ihre fristlose Entlassung, woraufhin die Landesbank ihr 100 000 Euro als Vergleich angeboten hat. Auch Fuchs bezieht sein Vorstandsgehalt weiter.
Wird der Markt es richten?
Ein Ende des MDL-Konflikts ist nicht abzusehen. Es sei denn, der Konkurrenzkampf im Bankenmarkt übernimmt das. Als „allein kaum überlebensfähig“ stuft zum Beispiel der Finanzwirtschaftler Hermann Locareck-Junge von der Technischen Universität Dresden die Zukunft der Sachsen-LB ein. „Sie hechelt der Entwicklung hinterher“, sagt er, habe strategisch zu spät reagiert und verfüge über zu wenig „finanzielle Fettpolster“.
Deshalb dürfte es auch kaum noch jemanden interessieren, wenn Ex-Premier Biedenkopf vor dem Untersuchungsausschuss seine Aussagen macht. Nach SZ-Informationen soll das erst im kommenden Sommer geschehen.
Zumindest aber hat der Fall MDL offenbart, welche verheerenden Konsequenzen ein Streit hat, in dem das Gemeinwohl lediglich als Spielball ökonomischer sowie machtpolitischer Interessen gesehen wird.
Von Ulrich Wolf