Karl Nolle, MdL
Dresdner Blättl 3/ 2001, PDS Zeitung, 16.02.2001
Nicht nur im Rathaus ist ein Führungswechsel dringend erforderlich
Leserbrief von Enrico Silvermann
DRESDEN. Die Befindlichkeiten rund um die OB-Wahl in Dresden dokumentieren, was schon seit mehr als hundert Jahren keinen Neuigkeitswert mehr hat: Linke Oppositionelle wollen nicht miteinander können. Vielleicht sind es ja auch nur Machtkämpfe an und in den Parteispitzen, die dieses Bild suggerieren? Wie dem auch sei, die sächsische PDS-Spitze setzt alles daran, diesem Bild gerecht zu werden, mehr noch, es tief in die Hirne der Bundesbürger - gleichgültig ob neu oder alt - einzugraben.
Das Kredo von Michael Schrader hört sich noch gut an: »… wir (sind) die einzigen …, die die Forderung ›Wagner muß weg‹ ohne Wenn und Aber vertreten.« (DNN 5.2.01) Aber schon der Nachsatz zu dem potentiellen FDP-OB-Bündnis-Kandidaten Roßberg läßt Zweifel aufkommen: »Wir verlangen nicht seinen Austritt, aber eine Distanzierung von der Dresdner FDP-Politik.« (SZ 5.2.01) Was den PDS-Favoriten Berghofer betrifft, setzt Fraktionschef Ronald Weckesser noch eins drauf: »Bekäme er eine demokratische Mehrheit, wäre da ein deutschlandweites Signal, daß Vertreter der DDR-Elite wieder wählbar sind.« (SZ 5.2.01) Mit Verlaub: Worum geht es denn eigentlich? Steht nicht immer noch die OB-Wahl im Juni in Dresden zur Diskussion?
So, wie die Dinge sich gegenwärtig zeigen, geht es der PDS überhaupt nicht um einen Machtwechsel im Dresdner Rathaus. Zu viele Fakten sprechen dagegen: Nolle, nicht unumstritten, aber wahrscheinlich die bisher einzig reale potentielle Wagner-Alternative, vergeigt; Stüdemann zu einem Zeitpunkt ins Gespräch gebracht, als sein Abgang aus Dresden längst vollzogen und seine Rückkehr so gut wie ausgeschlossen war; Roßberg, weil öffentlich diskutiert, schnell mal erwähnt; Berghofer mit vornehmer Zurückhaltung hofiert; Ostrowski als Joker im Ärmel. Dieser Machtpoker kennt nur einen Gewinner: Den CDU-Kandidaten Wagner.
Wenn es der PDS-Führung in Dresden allerdings gar nicht um Dresden geht, sondern tatsächlich nur um die Bundestagswahlen im kommenden Jahr, dann hat sie an der Basis ihre Glaubwürdigkeit verloren. Politiker müssen für ihre Wähler präsent sein, nicht umgekehrt. Besonders von der Partei des Demokratischen Sozialismus ist zu erwarten, daß ihre gewählten Vertreter - und nichts anderes als das sind die Stadt-, Landes-, und Bundesvorstände, wenngleich einige ihrer Mitglieder dieses sehr schnell vergessen, zumindest aber zur Seite räumen - alles daran setzen, ein demokratisches Bündnis bei einer so wichtigen Entscheidung wie der OB-Wahl zu unterstützen - ohne Wenn und ohne Aber.
Es scheint, daß nicht nur im Rathaus ein Führungswechsel dringend erforderlich ist.