Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.12.2005

Staatsanwalt Ball weist Vorwürfe zurück

Justiz. Er habe nie eine Razzia verraten, sagt der ehemalige Ines-Ermittler über die Anklage.
 
Die Nachricht von der Anklage kam für Staatsanwalt Andreas Ball völlig überraschend. „Ich habe fest damit gerechnet, dass das Verfahren eingestellt wird“, sagte der Jurist gestern auf Anfrage der SZ. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Chemnitz weist Ball entschieden zurück. „Ich habe nie eine Razzia verraten.“ Die Behauptung einer Tageszeitung, er habe den Termin der Hausdurchsuchung bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer gegenüber einem Journalisten „versehentlich ausgeplaudert“, sei frei erfunden.

Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte am Mittwoch auf SZ-Anfrage mitgeteilt, dass sie gegen Ball wegen Verrats von Dienstgeheimnissen Anklage erhoben hat. Der Fall wurde wegen seiner besonderen Bedeutung und „der Funktion des Angeschuldigten“ bei der Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden eingereicht, hieß es gestern in einer Pressemitteilung.

Noch kein Prozesstermin

Noch ist offen, wann der Prozess beginnt. Zunächst muss die 4. Große Strafkammer über die Zulassung der Anklage entscheiden. Über Einzelheiten der Ermittlungen gegen Ball schweigt sich die Chemnitzer Anklagebehörde aus. Sie verrät nur so viel: Die Auswertung der Telefonverbindungsdaten und die Aussagen von Zeugen – auch aus den Reihen der Antikorruptionseinheit Ines – hätten einen hinreichenden Tatverdacht ergeben. Die Ermittler hatten sowohl die Telefonverbindungsdaten von Ball als auch die des Reporters ausgewertet.

Ball hatte als Staatsanwalt in dieser Spezialeinheit gegen Schommer wegen Korruptionsverdachts ermittelt. Seit Bekanntwerden der Verratsvorwürfe im Sommer arbeitet er bei der Staatsanwaltschaft in Meißen. Der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär sagte, die Anklageerhebung habe zunächst keine weiteren Konsequenzen für Ball.

Im Falle einer Verurteilung müsste in einem Disziplinarverfahren über weitere Sanktionen entschieden werden, die schlimmstenfalls das Ende seiner beruflichen Karriere bedeuten können. Laut Strafgesetzbuch kann die Verletzung von Dienstgeheimnissen mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Berufsverbände überrascht

Die sächsischen Berufsverbände reagierten überrascht auf die Anklage. Der Vorsitzende der Neuen Richtervereinigung, Rüdiger Söhnen, hält die Anklage für „zu hoch gehängt“. „Ein Strafbefehl hätte genügt.“ Er würde gern von der Justiz wissen, mit welchen Mitteln sie gegen die Veröffentlichung der Ermittlungsakte Ball vorgehen wolle.

Der Vorsitzende des Richtervereins Reinhard Schade sagte, der Prozess ermögliche es, die politischen Hintergründe des Falles zu beleuchten. Nach den Presseberichten über die Durchsuchung bei Schommer hatten CDU-Politiker erbost reagiert. Den Anti-Korruptionsermittlern wurde sogar „politische Hexenjagd“ vorgeworfen.

Kritik an dem Vorgehen der Justiz kommt von der PDS-Landtagsfraktion. Den Eifer, den die Ermittlungsbehörden hier an den Tag legten, würde man sich auch bei der Aufklärung im Fall Schommer wünschen, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer André Hahn.
Von Karin Schlottmann