Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.12.2005

„An der Stimmung ändert sich nichts“

Gespräch: Anetta Kahane hält die NPD durch die Parteiaustritte nicht für geschwächt.
 
Wird die NPD durch den Parteiaustritt von zwei Abgeordneten ernsthaft geschwächt?

Nein, von einer Schwächung kann man mit Sicherheit nicht reden. Parteiaustritte Einzelner sind nichts Ungewöhnliches. An der Stimmung in der Sächsischen Schweiz oder im Muldentalkreis ändert sich nichts. Es sollte niemand so naiv sein zu glauben, dass sich das Problem des Rechtsextremismus in Ostdeutschland nun erledigt hat.

Wird die Entwicklung Einfluss auf die NPD-Wähler haben?

Darüber kann man nur spekulieren. Der Austritt von zwei Abgeordneten ist kein Indikator dafür, dass die Rechtsextremisten an Stärke verlieren. Außerdem wird in Sachsen erst wieder 2009 gewählt. Dann wird man sehen, wie sich die Stimmung entwickelt hat.

Ihre Amadeu-Antonio-Stiftung unterhält eigene Aussteigerprogramme für Neonazis. Wie beurteilen Sie die staatlichen Aktivitäten auf diesem Gebiet?

Ich kann nicht über alle Landesämter urteilen. Aber wir haben einige Klienten bei uns gehabt, die mit den Zielen und Motiven der staatlichen Programme nicht einverstanden waren. Wir sind, anders als die Behörden, nicht darauf aus, Informationen abzuschöpfen. Es ist grundsätzlich gut, dass sich auch die staatlichen Stellen mit Aussteigern aus der rechten Szene beschäftigen, aber die Verknüpfung von Verfassungsschutz und Ausstieg ist vom Grundsatz her problematisch.

Wie stark schätzen Sie das rechtsextreme Wählerpotenzial in Sachsen ein?

Von den Einstellungsmustern könnte das Potenzial größer sein als die NPD-Stimmen gezeigt haben. Wahlverhalten und Einstellung stimmen nicht immer überein. Ich hoffe, dass durch die öffentlichen Debatten und die wachsende Zivilgesellschaft in Sachsen die gesellschaftliche Ächtung wächst. Das ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass Ausländer weltweit wissen, dass es für sie besser ist, bestimmte Regionen in Sachsen nicht zu besuchen. Keiner meiner Migranten-Freunde würde auf die Idee kommen, seine Weihnachtsferien in der Sächsischen Schweiz zu verbringen. Allerdings hat sich die Anti-Rechts-Bewegung in Sachsen sehr gut entwickelt.
Gespräch: Karin Schlottmann