Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 24.12.2005

Aussteiger setzen NPD unter Druck

Aderlass. Innerhalb einer Woche verliert die rechte Partei ein Viertel ihrer Landtagsabgeordneten.
 
Die Erklärungen der NPD zur Austrittswelle in der eigenen Landtagsfraktion werden immer kleinlauter. Schäumte man beim Rückzug des Meißners Mirko Schmidt noch über einen „Verrat“, war der vier Tage später folgende Austritt von Klaus Baier aus Annaberg-Buchholz nur eine „menschliche Enttäuschung“. Am Freitag wiederum hieß es – ungewollt treffend – der neuerliche Verlust sei einfach „unschön“.

Da hatte Stunden zuvor auch der gelernte Schriftsetzer Jürgen Schön als dritter NPD-Abgeordneter das Handtuch geworfen und Fraktion und Partei, deren sächsisches Gründungsmitglied er war, verlassen. Der anhaltende personelle Aderlass zwingt die NPD-Oberen nun in die Defensive, da der Rückzug der hochrangigen NPD-Funktionäre lange Zeit geleugnete Probleme wie den internen Führungsstreit und die Meinungsverschiedenheiten um den politischen Kurs endgültig öffentlich macht. Der Versuch von NPD-Fraktionschef Holger Apfel, den Zerfall seiner Fraktion allein mit charakterlichen Defiziten und einem vermeintlich illegalen Handeln des Verfassungsschutzes zu erklären, ist jedenfalls gescheitert.

So streitet zum Beispiel der 57-jährige Schön ab, in irgendeiner Form zuvor das Aussteigerprogramm der Verfassungsschützer genutzt zu haben. Lediglich wegen der Furcht um sich und seine Familie, die mit Übergriffen von rechtsradikalen Anhängern rechnen müsse, habe er jetzt um Polizeischutz gebeten. Gleichzeitig sorgt Schön für einen neuen Aspekt der aktuellen NPD-Krise. In einem Pressegespräch äußerte er seinen Wunsch, künftig in die CDU wechseln zu wollen und brachte damit Sachsens Christdemokraten in Erklärungsnot. Deren Generalsekretär Michael Kretschmer schloss eine Aufnahme Schöns sofort kategorisch aus. Wer an „maßgeblicher Stelle“ in der NPD tätig war – dazu zählt Kretschmer ausdrücklich auch ein früheres NPD-Landtagsmandat – könne nicht Mitglied seiner Partei werden. Später äußerte er sich noch zu möglichen Wechselwünschen einfacher NPD-Mitglieder. „Über Parteiaufnahmen muss man immer individuell entscheiden, aber ich kann mir einfach keinen Fall vorstellen, bei dem ein ehemaliges NPD-Mitglied in die CDU aufgenommen wird.“

In der Rechtspartei wächst dennoch die Unruhe vor weiteren Aussteigern. Fraktionschef Apfel traf sich deshalb am Donnerstag mit dem NPD-Landeschef Winfried Petzold, der ebenfalls Mitglied der NPD-Landtagsfraktion ist. Gegenseitig sicherte man sich dabei Treue zu. Eine nicht ganz unwichtige Geste, da Petzold bei einigen rechten Mitstreitern als ein Wackelkandidat gilt. Zu den aktuellen Austritten findet er tatsächlich vergleichsweise milde Worte. „Probleme gibt es in jeder Partei. Sie hätten aber von Schmidt, Baier und Schön unbedingt zuvor erst intern besprochen werden müssen.“ Einen Rückzug wie die drei Abtrünnigen schloss er auf Nachfrage für sich aus. Noch?
Von Gunnar Saft