Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 10.01.2006
Iltgen-Vorschlag: Mit der NPD nach Auschwitz
Dresden. Es soll ein Versuch der Wiedergutmachung werden, aber ob die Rechung aufgeht, ist ungewiss: Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) hat gestern alle sechs Landtagsfraktionen aufgefordert, mit einer Delegation nach Auschwitz zu reisen - inklusive der NPD. Der überraschende Vorschlag ist nicht zuletzt eine Reaktion auf den Eklat vor einem Jahr, als die damals noch zwölf NPD-Abgeordneten bei einer Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus aus dem Parlamentssaal auszogen.
Ein NPD-Redner hatte zudem die amerikanischen und britischen Luftangriffe auf Dresden im Februar 1945 als "Bomben-Holocaust" bezeichnet.
"Das darf nicht so stehen bleiben", sagte Iltgen gestern. Er sehe den Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers auch als eine Aufarbeitung. Der 65-Jährige betonte zudem mit Blick auf die Rechtsextremisten, wer einmal in Auschwitz gewesen sei, werde die Gräueltaten der Nazis nicht leugnen können. Das Vernichtungslager sei ein Ort deutscher Täterschaft.
Ob die NPD aber mitreisen wird, ließ sie offen. Die Fraktion, aus der kurz vor Weihnachten drei Abgeordnete mit schweren Vorwürfen gegen die Partei ausgestiegen waren, müsse sich erst noch beraten, erklärte ein Sprecher. Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx hat jedoch keine Bedenken. "Warum sollten wir nicht mitfahren?", so Marx. Die NPD-Fraktion sei vor einem Jahr auch nicht aus dem Landtag ausgezogen, um sich dem Gedenken an die NS-Opfer zu verweigern. Die Abgeordneten seien verärgert gewesen, dass ihre Anträge zur Erinnerung an die deutschen Opfer des Krieges abgeschmettert worden waren.
Die Idee hatte Iltgen weitgehend im Alleingang in die Welt gesetzt - und erntete nicht nur Begeisterung. "Es ist eine heikle Mission: Was machen wir, wenn die NPD wirklich mitfährt und am Grab der Opfer steht?", fragte ein Kritiker. Doch auch wenn die NPD in Dresden bleibt, bestehe das Risiko eines neuen, großen Eklats.
SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss sieht solche Sorgen dagegen gelassen. Es sei nicht nur ein wichtiges Signal des Landtages, der Opfer der NS-Herrschaft würdevoll zu gedenken. Die Auschwitz-Reise werde auch eine neue Nagelprobe für die NPD werden und öffentlich für Klarheit sorgen. "Die Rechtsextremen müssen jetzt zeigen, wo sie stehen - das könnte eine erneute Selbstenttarnung werden", hofft der 72-jährige Sozialdemokrat. Kurz vor Weihnachten hatten die drei Aussteiger der NPD-Fraktionsspitze "Hitlerismus" attestiert. Fraktionschef Holger Apfel setze sich mehr für ein Viertes Reich ein als für die Interessen der Bürger. Die NPD-Spitze verlange von den Abgeordneten ein klares Bekenntnis zum Nationalsozialismus.
Wann und in welcher Form die Landtagsdelegation nach Auschwitz fahren will, blieb noch offen. Das Parlamentspräsidium, in dem auch die NPD vertreten ist, werde kommende Woche darüber beraten, sagte ein Landtagssprecher.
Sven Heitkamp