Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 10.01.2006
Anklage gegen frühere Sachsenring-Chefs
Staatsanwaltschaft wirft Rittinghaus-Brüdern Insolvenzverschleppung, Untreue und Bilanzbetrug vor - Millionen-Rechnung kam bei VW nicht an
Chemnitz/Dresden. Dreieinhalb Jahre nach der Insolvenz der Sachsenring AG (SAG) hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz Anklage gegen Jürgen Rabe, Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus erhoben. Das Vorstandstrio sieht sich mit dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung konfrontiert. Zudem sollen sich der frühere Vorstandschef des Zwickauer Automobilzulieferers, Ulf Rittinghaus, und sein Bruder Ernst Wilhelm laut Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Chemnitz wegen Untreue und Bilanzfälschung verantworten.
Gerüchte über eine mögliche Insolvenzverschleppung waren unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Unternehmens am 31. Mai 2002 aufgekommen. Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft hatte im Dezember 2002 die Aufnahme von Ermittlungen bestätigt Diese wurden in der Folgezeit nach einer bundesweit durchgeführten Razzia in Büros und Rittinghaus-Privathäusem auch auf Untreue und Bilanzmanipulation ausgeweitet. Bei ihren Zeugenbefragungen, offenbar auch im Finanzzentrum der Sachsenring AG, waren die Ermittler auch auf Rechnungen an die Volkswagen AG über rund 7,5 Millionen Euro aufmerksam geworden. Diese Rechnungen für „Materialpreiserhöhungen" sind nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nie bei VW angekommen Nur mit Hilfe dieser Manipulationen, so die Staatsanwaltschaft, seien der Ausweis eines Gewinns in der Bilanz und die Zahlung einer Dividende möglich gewesen Zugute kam das auch den Hauptaktionären Rittinghaus.
Den Vorwurf der Untreue begründet die Staatsanwaltschaft vor allem mit der Rückzahlung eines Darlehens, das Ulf und Ernst-Wilhelm Rittinghaus in Höhe von 7,5 Millionen Euro aus Privatmitteln der SAG gewährt hatten. Im Jahr 2000 sei die Firma aber bereits zahlungsunfähig gewesen. Die Rückführung von 6,1 Millionen Euro habe der Firma dringend benötigte Liquidität entzogen und die Schieflage beschleunigt Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft räumte ein, beim Vorwurf der Untreue müsse mildernd berücksichtigt werden, dass der Firma nicht fremdes Geld entzogen worden sei. Für Untreue drohten bis zu fünf Jahre Haft für Bilanzfälschung bis drei Jahre pro Fall. Schwer wiege der Vorwurf, das Vertrauen der Anleger missbraucht und eigene Vorteile aus geschönten Kursen gezogen zu haben.
Das Landgericht Chemnitz wird binnen sechs Monaten über die Zulassung der Anklage entscheiden.
von Hubert Kemper