Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 21.01.2006
Offener Schlagabtausch
Finanzen. Der Streit um EU-Fördermittel entzweit die Koalition aus CDU und SPD.
Die (Schein-)Harmonie hielt nur wenige Stunden. Am Dienstag hatten sich die beiden Koalitionspartner nach mehrstündiger Krisensitzung noch über regierungsinterne Umgangsformen verständigt. Man werde künftig fairer miteinander umgehen, öfters miteinander sprechen. Frieden im Regierungslager also, jetzt geht es wieder mehr um Sachpolitik – glaubten viele.
Doch nur wenige Tage später ist erneut offener Streit zwischen den ungleichen Koalitionspartnern entbrannt. „Metz weist Kritik des Wirtschaftsministeriums zurück“, konterte das schwarze Lager gestern mit einer Pressemitteilung die Kritik von Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) an der – seiner Ansicht nach – hartnäckigen Blockadepolitik seines Kabinettskollegen, Finanzminister Horst Metz (CDU). Einen Tag zuvor hatte Jurk ihm vorgeworfen, durch eine überzogene „Verwaltungsbürokratie“ den Start von Bildungsprojekten durch EU-Gelder im Freistaat zu behindern.
Rund 300 Millionen Euro können und müssen bis Ende 2008 für Projekte aus dem Europäischen Sozialfonds ausgegeben sein. Doch weil eine Förderrichtlinie fehlte, hat sich mittlerweile auch aus früheren Jahren eine Bugwelle von Anträgen entwickelt, die nicht bedient wurden. Und mit jedem Tag Zeitverlust drohen Millionen zu verfallen. Doch die neu erarbeitete Richtlinie ließ Metz abblitzen – obwohl alle anderen Ministerien ihr zustimmten. Sonst wären Fehlverwendungen und Doppelförderung möglich, begründet er sein Nein.
Doch der Streit, der seit Monaten im Hintergrund zwischen SPD und CDU tobt, geht um mehr. Es geht um die künftige Nutzung europäischer Fördermittel aus der nächsten EU-Förderperiode 2007 bis 2013. Strittig ist, welche Akzente gesetzt werden: Mehr auf die Förderung von Unternehmen, Technologie und Infrastruktur – das bevorzugt die CDU deutlich – oder stärker auf die Aus- und Weiterbildung – dafür möchte die SPD mindestens 25 Prozent der Mittel einsetzen. Eine Frage, bei der auch Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften entgegengesetzte Wege gehen. „Es ist ein Ärgernis, wie wir unsere Ressourcen verschwenden“, kritisiert Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen scharf das Brachliegen der ESF-Mittel. Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW) hält dagegen. „In Sachsen haben wir keine großen Erfolge mit ESF gehabt“, meint VSW-Geschäftsführer Hartmut Fiedler. Der Bedarf liege klar bei Mitteln für Unternehmen.
Ein Gespräch zwischen Jurk und Metz sei vorerst nicht anberaumt, hieß es gestern aus dem Umfeld der beiden Ministerien. Wann der „Häuserkampf“ innerhalb der Regierung beendet wird, ist offen. Ein Patt, das die Opposition erzürnt. „Wenn man sich nicht einigt, wird eben keine Entscheidung getroffen – zu Lasten aller Sachsen, vor allem der arbeitslosen“, kritisiert FDP-Fraktionschef Holger Zastrow.
Von Annette Binninger