Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 29.01.2006
Rechte Burschen plagen die SPD
Nachdem die Partei klare Distanzierung zu radikalen Studentenverbindungen vermieden hat, sind die Jusos vergrätzt. Dürfen Burschenschafter in der SPD sein? Nein, sagen die Jusos. Kommt drauf an, sagt die Parteispitze. Jetzt ist der Streit eskaliert.
Berlin · Am Tag danach schlugen die Jusos Alarm. Einen Skandal witterte die Hochschulgruppe der Jungsozialisten. Es sei "fatal", assistierte Juso-Bundeschef Björn Böhning, dass eine demokratische Partei sich nicht klar von Antisemitismus und Rechtsextremismus distanziere. Vermutlich, wetterte Böhning im Gespräch mit der FR, "will man den Deckel auf einem Topf mit brauner Suppe halten". Das Pikante an der Zornrede: Sie galt der eigenen Partei.
Der SPD-Vorstand hatte sich zu Wochenbeginn mit 18 zu 14 Stimmen geweigert, die Mitgliedschaft in der Partei für unvereinbar zu erklären mit der Zugehörigkeit zur "Deutschen Burschenschaft", dem größten Dachverband deutscher Studentenverbindungen. Damit wischte die SPD-Spitze ein Votum des jüngsten Parteitages vom Tisch. Sie setzt sich zudem, so Böhning, dem Verdacht aus, es mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht allzu genau zu nehmen.
Für die Jusos besteht kein Zweifel, dass die "Deutsche Burschenschaft" (DB) mit ihren rund 130 Mitgliedsverbänden "rechtsextrem, antisemitisch und revanchistisch" ist. Beim Verfassungsschutz will man das so umfassend zwar nicht bestätigen. Aber auch dem Amt ist nicht entgangen, dass der Dachverband immer weiter nach rechts außen gerückt ist. 1996 wurde es dem vergleichsweise liberalen Flügel zu braun: Er gründete mit der "Neuen Deutschen Burschenschaft" einen eigenen Dachverband. Seither hat in der DB vor allem die "Burschenschaftliche Gemeinschaft" das Sagen, die aus ihrem völkischen Weltbild kein Hehl macht und offen die Abtretung der ehemaligen deutschen "Ostgebiete" bestreitet. Erneut ins Zwielicht geriet die DB, als sich herausstellte, dass der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag gleich drei "Alte Herren" der Gießener Burschenschaft Dresdensia-Rugia angehören.
Besonders unangenehm für die SPD: der Fall Sascha Jung. Der trat als Sprecher der Münchner Burschenschaft Danubia in Erscheinung, die mehrfach im Visier des Verfassungsschutzes war. Zudem ist er SPD-Mitglied. "Damit wirbt er sogar", sagt Juso-Chef Böhning. Die Jusos versuchten daher schon häufiger, einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu erwirken - im November schien es, als hätten sie endlich Erfolg. Da nämlich nickte der Parteitag mit großer Mehrheit einen Antrag des SPD-Unterbezirks Göttingen ab, wonach nicht SPD-Mitglied sein kann, wer einer rechtsradikalen Burschenschaft angehört. Kurt Beck, Leiter der Antragskommission, empfahl seinerzeit die Annahme.
"Ein merkwürdiges Bündnis"
Zwei Monate später hat Beck seine Meinung offenbar geändert. Am Montag im Parteivorstand habe der Parteivize mit einem "merkwürdigen Bündnis aus Alt-68ern und Parteirechten", so Böhning, den Antrag abgebügelt. Statt dessen soll nun im Einzelfall geprüft werden, ob ein Burschenschafter SPD-Mitglied bleiben darf. Alles andere sei "zu pauschal", hieß es am Mittwoch in der Partei. Den Sinneswandel erklärt sich der Juso-Chef damit, dass nach dem Parteitag eine Brief-Protestwelle auf die SPD zugerollt sei. "Da haben sich einige wohl gewundert, wie viele Mitglieder in Burschenschaften sind."
Ohnehin teilt nicht jeder in der Partei die Sorgen der Jusos. So referierte etwa Egon Bahr im Herbst vor der Berliner Burschenschaft Gothia über "Europa und die Türkei". Dass die Gothia zur ultrarechten Burschenschaftlichen Gemeinschaft gehört, hielt Bahr wohl für lässlich. Auf einen Protestbrief der Jusos antwortete er erst gar nicht.
Deren Chef ist inzwischen einigermaßen ratlos. Offenbar, vermutet er, hätten "etliche ältere Sozialdemokraten" nicht mitbekommen, wohin sich die "Deutsche Burschenschaft" entwickelt habe. Böhning setzt nun auf Aufklärung und hofft, doch noch einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu erreichen. Die Chancen sind seit dieser Woche nicht eben gestiegen. Jörg Schindler