Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 13.02.2006
Rechtsextreme scheitern vor der Augustusbrücke
Ziviler Ungehorsam in eisiger Kälte: Viele hundert Dresdner blockieren die Augustusbrücke. Kein Durchkommen für den braunen Umzug.
Protest. Viele standfeste Dresdner und ein besonnener Einsatz der Polizei bringen den braunen Marsch aus dem Konzept.
Als einer der Letzten kann der stellvertretende Bürgermeister Wunsiedels, Matthias Popp (CSU), um 16 Uhr die Augustusbrücke überqueren. Danach ist hier kein Durchkommen mehr. Weder gewöhnliche Fußgänger noch die Rechtsextremen, die gerade vor dem Goldenen Reiter frieren, kommen weiter. Hunderte Dresdner haben die Brücke, die auf der braunen Route liegt, dicht gemacht – ziviler Ungehorsam mitten im Schneegestöber. Am Abend wird Bürgermeister Popp aus Bayern die Dresdner loben: „Gratulation, dass es Ihnen gelungen ist, den Nazi-Aufmarsch stundenlang in der Kälte stehen zu lassen“, wird er sagen und berichten, wie die Wunsiedler 2004 den Rudolf-Heß-Nazi-Marsch verhinderten – mit der einfachen Sitzblockade eines breiten Bündnisses aus Bürgern und Politikern: „Setzen kann man sich überall.“
Doch zurück auf die Brücke, wo nach und nach bis zu 1 000 Menschen gegen die braunen Umtriebe anlässlich des Jahrestages der Zerstörung Dresdens protestieren. Jährlich veranstaltet die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), eine Organisation, die von Rechtsextremisten geführt wird, in Dresden einen so genannten Trauermarsch. Und sorgt immer wieder für hässliche Eindrücke.
Gegen diese Bilder wenden sich nicht nur die Veranstalter der Demokratie-Meile, sondern auch die Brücken-Besetzer. Noch ahnt dort niemand, dass der braune Pulk erneut größer als befürchtet ist. Die Polizei hat mehr als 4 000 Teilnehmer gezählt, die vom Zwingerteich über die Marienbrücke mit Getöse in die Neustadt aufbrachen und nun nicht weiterkommen. Zahlreiche Rechtsextreme zeigen Nerven. Gruppenweise stürmen sie durch die Hauptstraße. Die Polizei verhindert Ausschreitungen im Ansatz.
Spontane Demo abgelehnt
Gleichzeitig melden die Leute auf der Brücke eine Demo an. Ordnungsamtsleiter Ralf Lübs lehnt das ab, da sie auf der JLO-Route liegt. Doch die Teilnehmer weichen nicht. Jetzt soll die Polizei die Brücke räumen: „Mittels einfacher körperlicher Gewalt“, wie Einsatzleiter Andreas Wunderlich sagt. Zwei Wasserwerfer fahren vor. Die Landtagsabgeordneten Julia Bonk (PDS), Martin Dulig (SPD) und Johannes Lichdi (Grüne), setzen sich in die erste Reihe. Es wird laut. Die Polizei beginnt zu räumen, doch die Masse weicht nur Meter zurück. Dann wird das Vorhaben aufgegeben – es wäre unverhältnismäßig. Die Braunen müssen über die Marienbrücke zurück zu ihren Bussen laufen.
Es wird ein erfolgreicher Tag. „Es ist zum ersten Mal gelungen, dass die Nazis abdrehen mussten“, sagt Ralf Hron vom DGB abends in einer Podiumsdiskussion. In Wunsiedel, so Bürgermeister Popp, „ist es auch nur gelungen, die Märsche zu stoppen, weil ein bürgerliches Bündnis sich auf die Straße gesetzt hat – ohne Chaoten.“ Auch dort wurde ein Tag der Demokratie veranstaltet. Dresden sei auf einem guten Weg.
Besonnen gehandelt hatten indes nicht nur die Menschen auf der Brücke, sondern auch Polizei und Stadtverwaltung. Oberlandeskirchenrat Christoph Münchow mahnte, neben den Plätzen auf der Straße auch die in den Köpfen zu besetzen: „Um die Menschen immun zu machen gegen intolerantes und nazistisches Gedankengut.“
Von Alexander Schneider