Karl Nolle, MdL
Manager Magazin 3/06, Seite 20, 17.02.2006
Ein Detektiv packt aus
SACHSEN LB: Ex-Vorstände des Instituts und seiner Leasing-Tochter geraten immer mehr ins Zwielicht. Es gibt neue Anschuldigungen.
Wutentbrannt springt Ludwig Hausbacher (47) aus seinem Sessel auf. Ein „unglaublicher Wirtschaftskrimi" spiele sich da ab, poltert der bayerische Unternehmer und durchmisst mit kräftigen Schritten sein Büro in der rustikalen Villa am Ortsrand von Tutzing.
Vor knapp sechs Jahren gründete Hausbacher die Mitteldeutsche Leasing (MDL) - gemeinsam mit der Sächsischen Landesbank. Seither kommt der Mann aus dem Unrat nicht mehr heraus: Zahlreiche mutmaßliche Fälle von Verleumdung und Falschaussagen waren scheinbar darauf angelegt, ihn in schlechtes Licht zu rücken.
Nun stellt sich auch noch heraus: Ein offenbar von der ehemaligen MDL-Chefin Andrea Braun (39) beauftragter Detektiv sollte Hausbacher „Kontakte zur russischen Mafia" nachweisen und gleichzeitig nach Belegen suchen, die ihn „in die Nähe der NPD bringen".
Der Detektiv selbst, Frank von der Weide-Thiemig (57), hat dies jedenfalls in einer eidesstattlichen Versicherung vom 19. Januar 2006 zwei Anwälten zu Protokoll gegeben. Sein Auftrag sei es gewesen, dem Minderheitsgesellschafter der MDL (Hausbacher hält indirekt 49 Prozent, der Rest liegt bei der Sachsen LB) „am Zeug zu flicken". Für Hausbacher ein Beweis, dass ihn die frühere Führung der Sachsen LB fertig machen wollte, um dann seine MDL-Anteile einzukassieren.
Andrea Braun will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Der MDL-Skandal, der mehrere Gerichte sowie einen Untersuchungsausschuss im Sächsischen Landtag beschäftigt, spitzt sich immer weiter zu. Dabei nimmt die Sachsen LB ebenso Schaden wie der Freistaat Sachsen, ihr Haupteigentümer.
Begonnen hatte der Ärger Ende 2002. Der damalige Sachsen-LB-Chef Michael Weiss (60) zeigte sich ungehalten, weil die von Hausbacher geführte MDL in ihrem dritten Geschäftsjahr einen Verlust von 2,2 Millionen Euro auswies.
Damit sie die Tochtergesellschaft besser kontrollieren konnte, wurde Braun Anfang 2003 zur MDL-Finanzchefin ernannt. Als Hausbacher drei Monate später die Firma im Streit verließ, stieg Braun bei MDL zum Alleinvorstand auf.
Eine pikante Personalie. Hatte Braun doch lange in Diensten der Sachsen LB gestanden und war in dieser Zeit dem Vorsitzenden Weiss näher gekommen. Seine Herzdame ließ sich für den MDL-Job opulent ausstaffieren: 200 000 Euro Jahresgehalt plus Sondervergütung, ein Mercedes-Coupé als Dienstwagen, eine wöchentliche Arbeitszeit von nur vier Tagen und garantiertes Rückkehrrecht zur Muttergesellschaft.
Zwar war das Leasinggeschäft der neuen MDL-Chefin völlig fremd. Darin sah sie aber kein Problem, wie sie dem Detektiv von der Weide-Thiemig - nach dessen Aussage - erzählte. Dennoch sollte sie die Firma im Auftrag der Sachsen LB ohnehin nur abwickeln.
Dienstbeflissen machte sich Braun ans Werk und meinte binnen weniger Monate herausgefunden zu haben, dass Hausbacher lausige Leasingverträge abgeschlossen hätte. Folglich verdreizehnfachte Braun die Rückstellungen und veränderte den Abschreibungsmodus. Nicht zuletzt dadurch schossen 2003 die Verluste in die Höhe, was wiederum der Sachsen LB Anlass gab, der MDL die Kredite zu sperren. Ohne Kredite aber konnte Braun kein Neugeschäft finanzieren. Also stellte sie den Vertrieb ein. 2004 war die MDL am Ende; Braun verwaltete nur noch die Altverträge.
Das Gebaren der MDL-Chefin fiel negativ auf. MDL-Aufsichtsrat Jürgen Geißinger (46), im Hauptberuf Vorsitzender der Geschäftsführung des Automobilzulieferers Schaeffler, monierte im Februar 2004 in einem Brief an den Vorsitzenden des MDL-Kontrollgremiums, Sachsen-LB Vorstand Rainer Fuchs (45): „Das Ansinnen, den Vertrieb des Unternehmens völlig abzubauen und letztendlich sowohl weitere Akquisitionsmöglichkeiten als auch die weitere Kundenpflege zu verhindern, kann doch (...) nicht im Sinne der Gesellschaft sein."
Auch Hausbacher wollte den Niedergang der Firma nie, hinnehmen. Er überzog die Sachsen LB mit einer Flut von Prozessen und brachte die Bank in die Bredouille: In einem Verfahren verlangte das Gericht von dem Institut die Vorlage einer Pflichtanzeige über die Höhe ihrer MDL-Beteiligung. Eine Kopie der Meldung existierte zwar, offenbar aber wurde sie nachträglich angefertigt und zurückdatiert. Belege dafür, dass das Dokument möglicherweise manipuliert worden war, fanden Ermittler der Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung der Sachsen LB. Die mutmaßlich Verantwortlichen - Weiss, Fuchs und Braun - mussten in den ersten Monaten 2005 gehen. Weiss und Braun haben inzwischen geheiratet und Nachwuchs bekommen; sie sollen auf Zypern leben.
Nachfolger von Weiss wurde HansJürgen Klumpp (58), der vom Vorstandsmitglied zum interimistischen Landesbank-Chef aufstieg. Doch Klumpps Glück währte nicht lange. Vor wenigen Monaten tauchte der Mitschnitt einer Nachricht auf, die Klumpp am 27. Februar 2004 einem Vertrauten Hausbachers auf dessen Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Darin bläst der Banker zur Attacke gegen die beiden damaligen Sachsen-LB Vorstände Weiss und Fuchs und ergeht sich in deftigen Formulierungen (,,... was der Fuchs für ein Aas ist"). Klumpp wurde geschasst.
Mittlerweile führt Herbert Süß (66) den neuen Vorstand der Sachsen LB. Der erfahrene Sparkassenmanager arbeitet fieberhaft an der Stabilisierung seiner Bank. Unter anderem hofft er auf eine Kapitalbeteiligung der WestLB. Ob sich deren Lenker Thomas Fischer (58) aber tatsächlich bei dem beschädigten Schwesterinstitut engagiert, ist offen.
Im Monatsrhythmus werden Details bekannt, die nicht nur die Sachsen LB, sondern auch die sächsische Landesregierung belasten. So bestätigt die Staatsanwaltschaft Dresden, dass sie wegen uneidlicher Falschaussage gegen einen Dresdner Notar ermittelt. Aus Justizkreisen verlautet, die Staatsanwaltschaft wolle bald Anklage erheben.
Der Notar soll im Auftrag des sächsischen Finanzministers Horst Metz (60) mit Abgesandten Hausbachers über den Ankauf von dessen MDL-Anteilen verhandelt haben. Dies habe er jedoch vor dem Untersuchungsausschuss anders dargestellt - womöglich um Metz zu schützen, der angebliche Gespräche über einen Ankauf der MDL-Aktien dementiert hatte.
Unterdessen erscheint die wirtschaftliche Situation der MDL im Nachhinein längst nicht so dramatisch, wie die frühere Chefin Braun glauben machen wollte. Die von ihr gebildeten Rückstellungen für Drohverluste von rund 14 Millionen Euro haben sich als weitgehend überflüssig erwiesen; 9,4 Millionen Euro sollen bis 2008 wieder aufgelöstwerden, weil die erwarteten Risiken wohl nicht eintreten werden.
Von Ursula Schwarzer