Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 18.02.2006
Dresdner Bank: "Klare Mittäterschaft"
"Die Komplizenschaft mit dem NS-Regime war breiter und intensiver als bisher bekannt"
Berlin. Es gibt so Sätze, die bekommt man nicht mehr aus dem Kopf. Beim besten Willen nicht, den die Dresdner Bank nun zeigt. Dieser ist so ein Satz: "Der Trost ist bei Kriegsende wahrlich nötig". Damit hatte der damalige Vorstandschef Jürgen Sarrazin 1997 in Pillnitz anlässlich des 125-jährigen Bankjubiläums die Enteignungspolitik der Alliierten kommentiert, die auch das Geldinstitut traf. Zu der eigenen Rolle im NS-Staat kein Wort. Es war dann auch das Jubiläumsjahr, als der Druck von außen so stark wurde, dass die Bank nicht mehr umhin konnte, die eigene NS-Geschichte aufarbeiten zu lassen. Gestern wurde in Berlin das Ergebnis präsentiert, eine Studie, 2374 Seiten dick. Das Fazit: "Es liegt eine klare Mittäterschaft vor", sagte der Leiter des Projekts, Klaus-Dietmar Henke.
"Wir sind die Bank der SS", erklärte 1942 Dresdner-Bank-Vorstand Emil Meyer. Und die Zahlen belegen das. Die Bank vergab Kredite in Höhe von umgerechnet 160 Millionen Euro an die SS. Hinzu kamen Kontoguthaben von SS-Mitgliedern in etwa gleicher Höhe. "Die Komplizenschaft mit dem NS-Regime war breiter und intensiver als bisher bekannt", sagte Historiker Johannes Bähr. Und die Verstrickung reicht bis hin zur Finanzierung von Konzentrationslagern. So war die Dresdner Bank Großaktionär der Breslauer Huta Hoch- und Tiefbau AG, welche die Krematorien im Vernichtungslager Auschwitz baute. "Die Dresdner Bank hat im ideologischen Kernbereich nationalsozialistischer Politik agiert", sagt Henke.
Dazu gehört auch die "Arisierung" jüdischen Vermögens. So wie im Fall des Dresdner Bankhauses der Gebrüder Arnhold. Schon 1933 waren die Arnholds informiert worden, dass der sächsische Gauleiter Mutschmann alles daran setzen werde, "um die Eigentümer des Bankhauses - notfalls mit ungesetzlichen Mitteln - zum Verlassen des Landes zu zwingen". Auf die Drohung folgten damals schnell massive Schikanen. Infolge des enormen psychischen Drucks erlag am 10. Oktober 1935, erst 50-jährig, Heinrich Arnhold einem Schlaganfall. Kurz darauf ging die Familie Arnhold auf ein Übernahmeangebot der Dresdner Bank ein, die damit Profiteur der Verfolgung der Arnholds wurde.
Und bei dem Dresdner Bankier Rudolf Maron wirkten Mitarbeiter einer Dresdner-Bank-Filiale gar mit, als er in eine Falle gelockt werden sollte, um sein Vermögen konfiszieren zu können.
Deutlich profitierte die Bank auch vom Eroberungsfeldzug der Nazis. Die Dresdner Bank sei in "den abhängigen und besetzten Gebieten rigoros und ohne Bedenken in heiklen Geschäftsfeldern aktiv" geworden, "die mit lange Zeit gültigen Standards des ,ehrenhaften Bankiers' schwer oder kaum zu vereinbaren waren", führte Historiker Harald Wixforth aus.
"Wir akzeptieren die Wahrheiten, auch wenn sie uns wehtun", sagte gestern Bankvorstand Wulf Meier. Mit der Studie übernehme das Institut "die moralische Verantwortung für ihr Handeln". Klaus-Dietmar Henke sprach die lange "Geschichtsvergessenheit" des Geldinstituts an, aber er sagte auch, dass kein anderes Unternehmen seine Vergangenheit so gründlich durchleuchten ließ wie die Dresdner Bank. Andere seien da viel zögerlicher. Wie die deutschen Sparkassen, "die seit 60 Jahren die Hände in den Schoß legen, obwohl sie am allerdicksten mit den Nazis verfilzt waren".
Das Wissenschaftlerteam mit Klaus-Dietmar Henke, Johannes Bähr, Harald Wixforth und Dieter Ziegler wertete für die Studie zwölf Kilometer an Akten im Bank-Archiv aus und recherchierte in 80 weiteren Archiven im In- und Ausland. Acht Jahre hat die Arbeit gebraucht, die ursprünglich dem Dresdner Hannah-Arendt-Institut übertragen worden war.
Gestern hätte für die sächsische Forschungseinrichtung ein wichtiger Tag sein können. Aber seit der höchst unerquicklichen Affäre um einen Text über Hitler-Attentäter Elser und um politische Einflussnahme auf wissenschaftliche Inhalte ist keiner der vier Wissenschaftler mehr am Institut. Erst wurde der Vertrag von Direktor Henke nicht mehr verlängert, dann gingen auch die drei anderen. "Es hätten unserem Ansehen geschadet, wären wir geblieben", sagte gestern Dieter Ziegler denDNN.
Zu den Lehren, die man heute aus der Studie über die Dresdner Bank im Dritten Reich ziehen kann, sagte Henke: "Dass Geschäftsergebnisse nicht zu trennen sind von den Methoden, mit denen sie erzielt werden".
Übrigens: Die Baumwoll-Beutel, in denen die Journalisten das Mammutwerk nach Haus tragen durften, waren weiß, ganz ohne Bank-Logo. Der Inhalt eignet sich wohl nicht als Werbung fürs Unternehmen.
Heidrun Hannusch